28.2.08

Neue Aussichten?

Jeder französische Präsident hat ja sein museales Projekt: Georges Pompidou das Centre Pompidou, Valéry Giscard d'Estaing das Musée d'Orsay, Mitterand hatte gleich mehrere, darunter die Vergrößerung des Louvre samt Pyramide und die Cité des Sciences et de l'industrie, und schließlich Chirac und das Musée du quai Branly. Nun scheint sich auch der aktuelle Präsident Sarkozy "sein" Projekt* gewählt haben: er möchte im Invalidendom ein "Forschungszentrum und eine Dauerausstellung zur Militärgeschichte sowie zur zivilen Geschichte" aufbauen, wie Le Monde berichtet. Nun ist dort im Armeemuseum schon seit einiger Zeit eine umfassende Modernisierung im Gange, die neuen Abteilungen der Dauerausstellung werden seit 2005 sukkzessive der Öffentlichkeit vorgestellt.
Um den Auftrag des Präsidenten zu erfüllen, wurde im Verteidigungsministerium ein Bericht erstellt, der nun als Zwischenbilanz vorliegt und der eine chronologische Präsentation der Geschichte Frankreichs vorschlägt. Doch wo? Denn Invalides, das so geräumig wirkt, ist doch räumlich arg beschränkt. Das Musée de l'Armée ist neben drei anderen Museen sowie insgesamt 49 militärischen und zivielen Organisationen dort nur zu Gast. Und natürlich kostet so eine chronologische Schau mal wieder viel mehr Geld als vorgesehen; zudem hat das eben eröffnete Historial für Charles de Gaulle auch mehr Kosten verursacht als geplant. Und wahrscheinlich bewegt die Militärs eine weitaus wichtigere Frage: Wenn das Museum sich vergrößert, gibt es dann überhaupt noch genug Platz für die militärischen Zeremonien? Diese, reichlich museal wirkenden Aufmärsche kann man als normale Museumsbesucherin ständig beobachten. Wenn diese wegfielen, würde mir zumindest nichts fehlen.
Hier im Museumsblog mehr zum Historial.



*Sarkozy hat allerdings auch Vorstellungen über eine Skulpturen-Insel, die natürlich viel spektakulärer wäre und worüber hier sein Berater erzählt.

Labels: , , ,

27.2.08

Museen und menschliche Reste

Le Monde berichtet in seiner Ausgabe vom 26.2. über ein internationales Symposium am Pariser Musée du Quai Branly. Organisiert auf Verlangen der Kulturministerin Catherine Albanel in Antwort auf eine kürzliche Polemik über die Rückgabe von Maorischädel debattierten europäische und amerikanische Museumsdirektoren, Vertreter ethnischer Minderheiten, Anthropologen, Soziologen und Juristen über die Problematik der Bewahrung menschlicher Reste in westlichen Museen. Der Anthropologe Maurice Godelier wies darauf hin, dass für viele Kulturen der Tod nicht das Ende des Lebens darstellt, sondern eine Etappe. Die Maori verlangen daher die Rückgabe der Schädel ihrer Vorfahren, um ihnen die Kriegern und Stammesführern gebührenden Rituelle zu erweisen. "Wir sind nicht gekommen um eure Museen zu leeren", sagte der senegalesische Prähistoriker Abdoulaye Camara, Direktor des Museums afrikanischer Kunst in Dakar, "Wir verlangen nur die Rückgabe jener Objekte die für unsere kulturelle Identitätsfindung wichtig sind". Angesichts der wachsenden Forderungen weisen die Forscher darauf hin, dass dank eben dieser Reste bedeutende Erkenntnisse über Lebensumstände, Krankheitsverbreitungen und die generelle Evolution der Menschheit gewonnen werden konnten. Die Ansichten und Vorschläge gingen in vielerlei Hinsicht auseinander. Jean-Pierre Mohen, Direktor der Sammlungen des Quai Branly und Verantwortlicher der Renovation des Musée de l'Homme setzte sich für einen pragmatischen Zugang und Zusammenarbeit mit den Vertretern der betroffenen Ländern ein, während Alain Froment, wissenschaftlicher Leiter der anthropologischen Sammlungen des Musée de l'Homme sich gegen eine generelle Rückerstattung aussprach. Einzelne Stücke können, seiner Meinung nach, restituiert werden, wenn der Antragsteller einen Nachweis seiner Filiation erbringen kann...! Ein Zugang, der übrigens der niederländischen Gesetzeslage entspricht.
Eines steht jedenfalls fest: ethnische Minderheiten verfügen heute über Möglichkeiten, Druck auf die Museumsszene auszuüben und die Diskussionen über Restitution sind auch auf diesem Gebiet noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein.

Labels: , , ,

26.2.08

Hören, dann schauen

Wie kommen die Samurai nach Speyer? Und wie entstehen eigentlich Ausstellungen? So lauten zwei von vielen Fragen, die das Historische Museum der Pfalz in Speyer anläßlich der Ausstellung Samurai beantworten möchte. Dafür haben sich die AusstellungsmacherInnen eines im Vergleich zum Museum sehr jungen Mediums bedient: dem Podcast. Die AusstellungsmacherInnen erzählen etwas über die Vorbereitungsarbeit, über die Entstehung des Katalogs und die Umsetzung der Ausstellung. Ebenso erfährt man etwas über die Szenographie und den audiovisuellen Stationen. Das sogenannte "Museum zum Hören" dauert nicht einmal eine Viertelstunde und ist wirklich informativ. Weitere Podcasts mit Hintergundsgeschichten sollen folgen. Gerade weil man soviel über die Ausstellung erfährt, sollte man aber natürlich auch selbst hingehen und schauen, wie es geworden ist.
Spiegel-Online war schon einmal schauen.

Labels: ,

25.2.08

Alles über Wasser

Die vom 14. Juni bis 14. September stattfindende Weltausstellung 2008 in Saragossa ist dem Thema "Wasser" gewidmet. Die diversen Pavillons und Ausstellungen artikulieren sich um die Schwerpunkte "Wasser auf unserem Planeten", "Wasser als Lebensquelle", "Angebot und Nachfrage, ein labiles Gleichgewicht", "Wasser als elementares Menschenrecht", "Krisensituationen" und "Neuer Umgang mit Wasser". 10.000 Besucher pro Tag werden erwartet und sollen mit der Problematik dieses unverzichtbaren Elements konfrontiert werden. Vom 29. bis 31. August steht im Rahmen dieser Ausstellung die Show "Blue Planet" des berühmten englischen Allroundkünstlers Peter Greenaway auf dem Programm.

Labels: ,

Charles de Gaulle Superstar

Nicolas Sarkozy weihte am 22. Februar das "Historial Charles de Gaulle" in Paris ein. Dieses von der Stiftung de Gaulle angeregte und mitfinanzierte Projekt, ist ein neuer Meilenstein in der Modernsierung des Musée de l'Armée. 1.200 m2 sind dem Leben dieser emblematischen Figur der jüngeren französischen Geschichte gewidmet. Die von der Agentur Moatti und Rivière entworfene Szenographie stützt sich ausschliesslich auf Bild- und Tondokumente (de Gaulle war Zeit seines Lebens ein entschiedener Gegner des "Reliquienkultes") und zeichnet das Leben des Generals von seiner Geburt 1890 bis zu seinem Tod 1970 nach. Aus dem zentralen Kinosaal mit 200 Plätzen und mehreren grossflächigen Projektionswänden gelangt man zuerst in einen ringförmigen Ausstellungsraum und dann durch drei "Pforten" die den wichtigsten Daten seiner Laufbahn entsprechen (18.6.1940/Aufruf zum Widerstand - 26.8.1944/Befreiung von Paris - 4.9.1958/Gründung der V. Republik) in sogenannte "Alkoven" in denen weitere Informationen zu diesen Schlüsseldaten geboten werden. 18 Millionen Euros, 20% mehr als vorgesehen, kostete dieses Unternehmen mit seinen interaktiven Bildschirmen, virtuellen Büchern, dynamischen Bilderwänden...
De Gaulle der in Frankreich populärer ist als Napoleon soll mit diesem "Denkmal" vor allem ein nationales Publikum ansprechen: 2007 haben 800.000 ausländische Touristen, aber nur 400.000 Franzosen das Armeemuseum inklusive Invalidendom besucht. Man hofft also auf den neuen Superstar der "Grande Nation"!

Labels: , , ,

22.2.08

Unter dem grünen Hügel wandeln

Erstaunlicherweise sind sich alle einig: der preisgekrönte Entwurf von Schneider + Schumacher für den Erweiterungsbau des Städel Museum in Frankfurt am Main macht den Museumsdirektor, die Sponsoren, die Stadt und sogar die Architekturkritiker glücklich.
Ganz untypisch für Frankfurt spielt sich alles unter der Erde ab. Der Garten vor dem Altbau aus dem 19. Jahrhundert erhält einen sanften Hügel mit Bullaugen, das Bauensemble bleibt nahezu unangetatst. Das ist auch untypisch für die mehr oder weniger spektakulären Museumsbauten, die sich ja in den letzten Jahrzehnt quasi losgelöst vom Inhalt durchzusetzen schienen. Vielleicht wird damit eine neue Phase der Museumsarchitektur eingeleitet.

Dieter Batezko dazu in FAZ.net.
Christian Thomas in der Frankfurter Rundschau.

Gelitin im Pariser Musée d'Art Moderne

3000 Werke der österreichischen Künstlergruppe Gelitin sind unter dem Titel "La (sic!) Louvre - Paris" vom 29. Februar bis 20. April im Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris zu sehen. "Materialien von Karamell bis Wolle, von Käse bis zu Toilettenpapier" benützen die vier Künstler der Gruppe für ihre oft Aufregung erregenden Arbeiten. Bei der Expo 2000 in Hannover mussten etwa die Besucher in ein 5 Meter tiefes Wasserloch tauchen um in die "Grotte des Glücks" zu gelangen... In Österreich sorgten sie 2003 mit der Skulptur "Arc de Triomphe" für Aufregung . Diese Darstellung eines nackten Mannes mit erigiertem Penis musste nach nur eine Woche und einer Klage der Stadt Salzburg wieder abgebaut werden und 2006 sorgte die Ausstellung "Chinese Synthese Leberkäse" im Kunsthaus Bregenz für Diskussionen.
Neben provokanten Installationen in der Tradition des Wiener Aktionismus werden in der Ausstellung jedoch auch "klassischere" Objekte zu sehen sein (Plastilin, Malereien, Bilder der Künstler in Frauenkleidern etc.).
Pariser Museumsbesucher werden wohl ihr Österreichbild revidieren müssen...

Quelle: Der Standard

Labels: , , ,

21.2.08

Museum international 233/234 - Le patrimoine culturel des Migrants

Ein Doppelheft der Zeitschrift "Museum international", herausgegeben von der UNESCO, ist anlässlich der Eröffnung der "Cité national de l'histoire de l'immigration" in Paris, dem Thema Migration und ihre Darstellung im Museum gewidmet.
In seinem Artikel "L'historien dans la Cité: comment concilier histoire et mémoire de l'immigration?" unterstreicht der Historiker und Soziologe Gérard NOIRIEL einen der wesentlichen Grundsätze des neuen Museums: Ziel sei es, die Geschichte der Immigrationund nicht jene der Immigranten darzustellen. Sie soll den Besuchern den historischen Prozess verständlich machen, wie Personen aus allen Weltgegenden integrale Mitglieder der nationalen aktuellen Gesellschaft geworden sind. Man könne nicht einerseits Integration verlangen und gleichzeitig einen Erinnerungskult einzelner Gruppen fördern, der sich auf eine als unveränderlich angesehene "Immigrantenkultur" bezieht. NOIRIEL weiss aber auch aus eigener langjähriger Erfahrung, wie kompliziert die Umsetzung eines solchen Konzeptes sein kann, sind doch Geschichte und Erinnerung oft widersprüchlich...
Hélène LAFONT-COUTURIER, Direktorin der CNHI, beschreibt die Schwierigkeiten eines Museums das a priori ohne Sammlung entstand, "Le musée national de l'histoire de l'immigration: un musée sans collections". Neben Archivalien haben die Konzeptoren des Museums mehrere Themenbereiche gezielt gesammelt: Dinge die man von "hier" nach "dort" mitnimmt; Wissen, know-how, Bildung und Berufserfahrung; Immaterielles "Gepäck" (Gewohnheiten, Einstellungen, Glaubensvorstellungen, Träume, Mythen); individuelle Berichte und Bilddokumente. Einen wichtigen Platz nehmen die Werke zeitgenössischer Künstler ein: neben Installationen die oft komplexe Zusammenhänge veranschaulichen können, sind hier vor allem Fotografen zu nennen, die in Bildserien festhalten was oftmals als Einzelphänomen gesehen wird. Immigranten soll es so möglich werden, eigenes Erleben in einen grösseren Kontext einzuschreiben.
"Comment concilier l'inconcliable: la place de l'ethnologue dans le musée de la Cité nationale de l'histoire de l'immigration", wie kann man Unvereinbares vereinbaren, fragt Fabrice GROGNET und meint damit die Verbindung von Ethnologie und Geschichte im musealen Kontext. Er erwartet sich von der neuen Institution einen Dialog zwischen Vergangenheit und Aktualität in Sammlungspraxis und Ausstellungspolitik.
Die konkrete Umsetzung des Museumskonzeptes ist der Inhalt des Beitrages von Pascal PAYEUR und Lydia ELHADAD, "Repères, une exposition permanente, deux cents ans d'histoire de l'immigration". Das Ziel, den Besucher in die Geschichte der Immigration einzubinden, kollektives Geschick and individuelles zu binden, setzen sie in einem offenen Parcours um, der eine Abfolge von emotionellen und pädagogischen Erlebnissen vorsieht, in die der Besucher förmlich "eintauchen" soll. Angeregt durch Jacques Hainards Postulat, dass eine "Ausstellung ein intensives Erlebnis einer kollektiven Erfahrung" sein sollte, stellen Bilder, Installationen, Stimmen, Lebensfragmente den Einstieg dar. Einzelschicksale verbinden sich zum kollektiven Gedächtnis. Im Mitelpunkt des Gebäudes befindet sich die "galerie des dons" wo dem Museum übergebene Objekte ausgestellt werden - wechselseitiges geben und nehmen finden sich so illustriert. Interaktive "Orientierungstische" mit touch screens geben detaillierte Informationen zu den einzelnen Phänomenen, vor allem zu ihrem historischen Hintergrund. Grossflächigen Fotos oder Videoprojektionen, die die grossen Ereignisse darstellen (Vertreibung, Krieg, Arbeiteraufstand...) stehen kleine, intime Bilder oder bescheidene Alltagsobjekte gegenüber. Ein "Salon" am Ende der Ausstellung bietet Lesematerial, interaktive Einrichtungen, Spiele, Musik und ist als Ort der Begegnung, des Austausches zwischen den Besuchern gedacht.
Ein Museum ohne Sammlung, eine Institution die sich als "Cité" bezeichnet, ein Thema das Polemiken auslöst, welches Publikum will und kann man damit ansprechen? "La cité et ses publics: images, perceptions et évolutions" ist der Titel des Artikels von Fanny SERVOLE. Sie unterstreicht die Imageschwierigkeiten die mehrere Untersuchungen und Befragungen im Vorfeld der Museumseröffnung aufgezeigt haben. Einerseits die Vorstellung, dass Museum mit Vergangenheit gleichzusetzen sei, die negative Besetzung des Themas "Immigration" im aktuellen politischen und Mediendiskurs, die Befürchtung eines spröden Zugangs (zu viel Text), die allgemein fehlende Begeisterung für Gesellschaftsmuseen (im Gegensatz zu Kunstmuseen) etc. zeigen, dass noch viel Informationsarbeit nötig sein wird! Weder regelmässige Museumsbesucher noch solche, denen schon das Wort Museum Schwellenangst einflösst, fühlen sich angesprochen. Immigranten und ihre direkten Nachfahren wollen nicht an vergangenes Leid und aktuelle Probleme erinnert werden, "echte" Franzosen befürchten auf Rassismus und Kolonialismus hingewiesen zu werden. All diese Vorurteile sind noch lange nicht abgebaut und die Besucherzahlen des Museums lassen noch zu wünschen übrig. Eine Öffnung bietet hingegen die Website, die häufig aufgerufen wird und vielleicht auf diesem Wege zur Entdeckung der CNHI beitragen wird.
Auch Deutschland findet im Themenheft Erwähnung, "La signification politique et sociale d'un musée des Migrations en Allemagne". Aytac ERYILMAZ, Vorsitzender des 1990 gegründeten Vereins DOMiT und Ausstellungsmacher zeichnet die grossen Linien der Immigration in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg nach und stellt vor allem die Aktivitäten von DOMiT vor: Aufbau eines Archivs und einer Sammlung zur Immigrationsgeschichte seit den 50er Jahren, die Durchführung von Forschungsprojeken zu diesem Thema; Ausstellungskonzeptionen sowie die Organisation von Tagungen und workshops.

Weitere Artikel: La genèse politique de la Cité (Jacques Toubon); La culture maghrébine en France, à Marseille: entre visible et invisible, entre acceptation et refoulement (Emile Témime); Immigration et droits culturels, reconnaissance politique et acceptation culturelle (Catherine Wihtol de Wenden); Les immigrants portugais et la culture portugaise en France (Marie-Christine Volovitch-Tavres et Dominique Stoenesco); L'ex-palais des Colonies: le poids d'un héritage (Dominique Jarrassé); un lieu de mémoire pour une cité d'histoire (Maureen Murphy); Un creuset d'échanges (Karthika Naïr); La Cité nationale de l'histoire de l'immigration: un lieu et un réseau de partenaires (Agnès Arquez-Roth); La documentation sur l'immigration: du centre des ressources à la médiathèque (Claire Tirefort); La Cité, lieu de transmission et public scolaire (Nathalie Héraud); Le mémorial des Immigrants à Sao Paulo: domaines de recherche et défis pour le XXIsiècle (Ana Maria da Costa Leitao Vieira); Le musée danois de l'immigration à Fureso: l'histoire de l'immigration et la collecte des souvenirs (Cathrine Kyo Hermansen et Thomas Moller); Les musées dédiés aux migrations: le musée portugais de l'Emigration (Maria Beatriz Rocha-Trindade et Miguel Monteiro); Mobiliser les communautés et transmettre leurs histoires: le rôle du musée de l'immigration dans l'une des villes le plus multiculturelles du monde (Padmini Sebastian).

Außerdem interessant: Das Projekt Migration der Kulturstiftung des Bundes und das Museu da Emigração e das Comunidades in Brasilien.

Die Cité wurde schon hier hier für den Museumsblog besucht und auch auf Kulturelle Welten

Labels: , , ,

Erleben statt Event

Auf Spiegel online wird der Archäologe Hermann Parzinger, der künftige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin vorgestellt. Als Nachfolger von Klaus-Dieter Lehmann ist Parzinger künftig für die 16 staatlichen Museen und die Staatsbibliothek verantwortlich. Er verrät, was den Besucher künftig in den Berliner Museen erwartet:
"Wir wollen den Besucher einfach in den Bann ziehen, und der Nachbau eines Skythengrabes veranschaulicht vielleicht mehr als ein langer Text an der Wand. Es geht darum, Kultur zu erleben, sich verführen zu lassen, mehr wissen zu wollen. Das gilt doch oft auch für die zeitgenössische Kunst. Wenn Sie es schaffen, die Leute zu faszinieren, wollen die automatisch mehr lernen. Ich kann mir auch vorstellen, die Sammlungen unserer Museen stärker miteinander ins Gespräch zu bringen; warum nicht einmal unterschiedliche Epochen, Kulturen und Kunstgattungen in Ausstellungen verknüpfen?"

Eine Ergänzung: in der aktuellen ZEIT unterhalten sich Hanno Rauterberg und Heinrich Wefing mit Hermann Parzinger, leider nicht online.

Labels: ,

20.2.08

Freier Eintritt

Seit Beginn des Jahres hat das französische Kulturministerium ein Pilotprojekt zum Gratiseintritt in 14 Museen und Sehenswürdigkeiten laufen. Die Kulturministerin hat am 11. Februar bekannt gegeben, dass in den betroffenen Institutionen ein starker Besucheranstieg festzustellen sei. Laut der Direktion der französischen Museen (DMF) wurde in den drei Wochen seit Beginn des Projektes ein Anstieg von 50% in den 10 ihr unterstehenden Museen verzeichnet, während das Denkmalamt (Centre des monuments nationaux) in den vier betroffenen Schlossmuseen sogar 100% mehr Besucher zählte, mit einem absoluten Besucherrekord von 300% für das Palais Jacques-Coeur in Bourges (Cher).
Quelle: Le Monde 13.02.2008, p.25.

"Schafft die Eintrittsgelder ab": Appell von Hanno Rauterberg hier in der Zeit und hier im Museumsblog.

Labels: ,

19.2.08

« Museumsdirektor dringend gesucht »

Als Folge der Altersstruktur an der Spitze des US Museen, sind derzeit 23 der 180 bedeutendsten Museen auf der Suche nach einem Chef… Diese gespannte Situation führt dazu, dass Direktoren sich ihre Posten aussuchen können, die Gehälter in die Höhe schnellen und Konflikte mit dem Aufsichtsrat schnell zu einem Ende der Zusammenarbeit führen. Die meisten Museen wenden sich inzwischen an spezialisierte Agenturen, wie beispielsweise Phillips Oppenheim, um die gewünschten Profile zu finden. Um zu kostenaufwendige Anwerbungen zu vermeiden, besinnen sich manche Museen jedoch wieder altbewährter Karrierelinien und suchen im Kreise der internen Mitarbeiter geeignete Personen. Kuratoren werden eingeladen, vom Wissenschaftler zum Manager zu werden. Der französische Louvre hat hier eine Marktnische gefunden: Kuratoren aller Altersstufen können im größten Museum der Welt eine prestigeträchtige „Auslandserfahrung“ erwerben…
Quelle: Le Monde, 12/02/2008

Labels: , ,

13.2.08

Der Maorischädel und die Unveräußerlichkeit der Museumskollektionen

Der Beschluss der Stadt Rouen, einen tätowierten Schädel an die Maori von Neuseeland zurückzuerstatten, hat zwei grundsätzliche Fragen aufgeworfen: erstens, sind menschliche Überreste als Teile einer Sammlung anzusehen oder unterstehen sie anderen, bioethischen, Bestimmungen und zweitens, können Objekte einer Museumssammlung veräußert werden. Lassen wir den ersten Punkt hier außer Acht und wenden wir uns dem zweiten zu, so könnte man die Frage noch erweitern: ist eine Zurückerstattung einer Veräußerung (sprich: Verkauf) gleichzusetzen? Deutschland, Österreich und andere Länder haben bewiesen, dass Museumsobjekte durchaus zurückerstattet werden können, von Klimt Bildern bis zu Zillertaler Schränken…
Wie dem auch sei, die „Affäre“ des Maorischädels hat zu heftigen Diskussionen über die Unveräußerlichkeit von Museumsobjekten beigetragen. Das so genannte Gesetz „Taska“ (Gesetze tragen in Frankreich den Namen dessen der sie einbringt, in diesem Fall den der damaligen Kulturministerin Catherine Taska) hat 2002 diese Unveräußerlichkeit bestätigt, jedoch die Möglichkeit eingeräumt, Objekte zu deklassieren, d.h. einen eventuellen Verkauf zu ermöglichen wobei allerdings vorher die Zustimmung einer Expertenkommission erforderlich ist. In den sechs Jahren seit der Verabschiedung des Gesetzes ist allerdings noch kein einziges Objekt deklassiert, ja nicht einmal dazu vorgeschlagen worden…
Ein weiterer Fall hat Öl ins Feuer gegossen: Eine „Flucht nach Ägypten“ von Nicolas Poussin ist für 15 Millionen € auf dem Markt. Das Werk wurde in extremis für 30 Monate mit einer Ausfuhrsperre belegt um dem Pariser Louvre und dem Museum der Schönen Künste von Lyon zu ermöglichen, diese Summe zusammenzukratzen. Wiederum erhoben sich Stimmen, die verlangten, die übervollen Reserven durchzumustern um eine dynamischere Sammlungspolitik sicherzustellen. Neben dem steigenden Bedarf an Eigenfinanzierung der Museen sind die hohen Archivierungskosten eines der Argumente der Befürworter eines freieren Umgangs mit Museumsobjekten, wobei besonders auf die Depots der Museen für zeitgenössische Kunst sowie jene der Gesellschaftsmuseen hingewiesen wird.Im Oktober 2007 erfolgte ein neuer Gesetzesvorschlag der eine reelle Verwaltungsfreiheit der Kulturinstitutionen verlangt. Er schlägt vor, Sammlungsobjekte in zwei Kategorien einzuteilen, „nationale Schätze“ (trésors nationaux) und „Werke mit freier Verwendung“ (oeuvres libres d’utilisation). Erstere sind von jeder Veräußerung ausgeschlossen und unterliegen strikten Regelungen, die anderen können aus den Sammlungen im Bedarfsfall ausgeschieden werden und zur Finanzierung der Museen, ihrer Aktivitäten oder zum Erwerb einer Ergänzung des Sammlungsbestandes beitragen.
ICOM-France hat in einer Stellungsnahme diesen Vorschlag scharf zurückgewiesen: ohne Depots kein Museum, nicht ausgestellte Stücke sind wertvolle Studien- und Forschungsobjekte und werden für Sonderausstellungen herangezogen sind einige ihrer Argumente. Trotz dieses Widerstandes gegen den Gesetzesentwurf, werden jedoch eine dynamischere Sammlungspolitik gewünscht und Bedenken gegen ein mechanisches Ansammeln geäußert. ICOM-France schlägt in seinem Communiqué eine strengere Auswahl beim Ankauf neuer Objekte und mehr Absprache zwischen den einzelnen Museen vor. Darüber hinaus wird die Einrichtung von vorläufigen Sammlungen, vor allem im Bereich der Gegenwartskunst, angeregt, d.h. eine Frist bevor die Werke endgültig in die Museumssammlung eingeschrieben werden. ICOM-France setzt sich auch für die Anwendung des „loi tasca“ ein, d.h. die Möglichkeit zur Deklassierung von Objekten in Abstimmung mit einem Expertengremium.Eine von der gegenwärtigen Kulturministerin Catherine Albanel beauftragte Kommission unter der Leitung von Jacques Rigaud ist in ihrem Bericht zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. Rigaud bedauert, dass die Deklassierungskommission noch nie herangezogen wurde und daher auch keine Evaluierung eines solchen Vorganges vorliegt. Er verlangt ebenfalls eine bessere Konzertierung zwischen den einzelnen Museen was ihre Sammlungspolitik betrifft und eine bessere und transparentere Verwaltung der Depots. Eine Gefahr sieht Rigaud auch im Signal das Mäzenen und Stiftern gegeben würde: gerade sie überlassen ihre Sammlungen den Museen um sie einem rein kommerziellen Umgang zu entziehen. Das vorhandene Gesetz wird als ausreichend angesehen und statt neuer Entwürfe sollten liebe die vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Und der Maorischädel? Der Verwaltungsgerichtshof von Rouen hat den Beschluss der Gemeindeverwaltung den Schädel zurückzuerstatten aufgehoben. Neuseeland das seit 1980 die Rückgabe aller menschlichen Überreste die sich in den Museen befinden fordert, wird weiterhin darauf warten müssen, diese Reste eines gefallenen Kriegers würdig zu beerdigen.
Quellen: Le Monde; L’Humanité, ICOM France; Culturevirale

Labels:

Gestern im Städel

Viele Besucher wirbeln viel Staub auf, so konnte man gestern abend in der Cranach-Ausstellung im Städel Museum feststellen. Wenn man mal den Blick von den Bildern nahm, dann konnte man die Wollmäuse sich der Wand entlang tummeln sehen. Bei der ersten dachte ich noch: kann ja mal vorkommen, aber wie es dazu kommt, dass in jedem Raum Staub lag, würde ich schon gerne wissen. Zumal ich neulich erst gelernt habe, wie wichtig es für eine Ausstellungsbesucherin es ist, dass Ausstellungsräume gepflegt und sauber sind. In einem vielbesuchten Kunstmuseum ist vielleicht die Staubgrenze um 18 Uhr erreicht; die Ausstellung hatte aber bis 21 Uhr offen. Da kann man wohl nicht mal schnell, wie man es etwa aus französischen Cafes kennt, wo sich vor der Theke am Boden so alles mögliche ansammelt, mal kurz mit dem Besen rübergehen. Aber das sind ja Lappalien angesichts der Bilder, die noch bis zum 17.2. zu sehen sind.

Labels: ,

11.2.08

Von den Tieren abgeschaut

Kleidung und Mode wirkt im Museum oft langweilig und steif. Im Museum Zeughaus in Mannheim, das zu den Reiss-Engelhorn-Museen gehört, hatten die AusstellungsmacherInnen so richtig Lust, Langeweile gar nicht erst aufkommen zu lassen: hier finden sich Seespinne und Wasserspitzmaus neben den Kleidungsstücken. Die Seespinne tarnt sich mit Borsten und Algen, weswegen sie in der Vitrine mit den Karnevalskostümen zu finden ist. Die Wasserspitzmaus mit ihrem besonderen Fell kann als Vorbild für regenabweisende Materialien dienen, wofür die Pelisse (Gehpelz), eine Art Umhang aus dem 18. Jahrhundert, steht. Auch die gestylten Hühner, die der Künstler Edgar Honetschläger für die Expo 2005 in Japan entworfen hatte, sind in der großen Vitrine zur Damenmode ein richtiger Hingucker. Ein toller Einfall, der zeigt, wie man mit intelligenten, nicht aufwändigen Mitteln Lust am Schauen weckt.
Hier kann man einen virtuellen Rundgang durch die Kleidersammlung machen.

8.2.08

Öffnet die Museen für alle

Wie viele Menschen mehr ins Museum gehen, wenn es keinen Eintritt kostet und warum dies auch deutsche Museen einführen sollten, beschreibt Hanno Rauterberg im Artikel "Schafft die Eintrittsgelder ab!" in der ZEIT. Interessant ist etwa sein Hinweis, dass Eintrittsgelder nur zwischen fünf bis zehn Prozent des gesamten Etats einbringen. In der Stuttgarter Staatsgalerie sind es sogar nur zwei Prozent und in Magdeburg spart man nun sogar noch mit der Abschaffung des Eintrittes Geld ein. Interessant ist auch der Hinweis, dass etwa in England der freie Eintritt nicht nur andere Bevölkerungsschichten anzieht, sondern auch den ständigen Sammlungen wieder interessierte BesucherInnen verschafft, da der Besuch von Sonderausstellungen weiterhin Geld kostet.

Labels:

6.2.08

Berliner Museen im Internet

Schön frisch und grün präsentiert sich das Museumsportal Berlin. Hier kann man sich schnell über die laufenden Ausstellungen informieren, nach Öffnungszeiten schauen, Führungen buchen oder Produkte der Museumsshops online kaufen. In der Rubrik Besucherdienste erfährt man beispielsweise, welche Berliner Museen Montags geöffnet sind oder wo man gut mit Kindern und Jugendlichen hingehen kann. Was hier aber komplett fehlt, ist das Thema Barrierefreiheit bzw. Angebote für Menschen mit Behinderungen. Hierfür muss man sich mühsam durch die Infos zu den einzelnen Museen klicken, allerdings erfährt man dann nicht immer unbedingt etwas. Schade, denn das Museumspublikum wird ja nicht jünger, sondern älter.

Labels: ,

Aschermittwoch in Köln

Die Gegenwart des Museums für Angewandte Kunst in Köln klingt nach einem langanhaltenden Aschermittwoch. Wie Museumsarbeit unmöglich gemacht wird, indem Wissenschaftlerinnen ausgebootet, Politiker Ausstellungen absagen und lieber gleich mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, beschreibt Andreas Rossmann in FAZ.net mit dem Titel "Unschöne Kröten, Seele verkauft".

Labels: ,

1.2.08

Keine Romantik mehr mit Brücke?

Jede, die schon einmal zwischen Bingen und Koblenz am Rhein entlanggefahren ist, kennt dieses romantische Fleckchen Deutschlands nur zu gut: putzige Burgen auf Gipfeln, kleine Dörfchen am Rheinufer und als Krönung der Loreley-Felsen. 2003 wurde die Region mit dem Weltkulturerbe-Titel geadelt. Nun geht es wieder einmal um die Brücke: im Mittelrheintal möchte man beides - das UNESCO-Label und eine Brücke. Der Verkehr, der sonst auf einer Strecke von 100 km nur mit Hilfe von Fähren den Rhein queren kann, soll eine Furt gegeben werden. Und dass ausgerechnet an der schönsten, da engsten Stelle, zwischen St. Goar und St. Goarshausen. Ob Brücke oder Tunnel, die rheinland-pfälzische Landesregierung hält sich alles offen und eher bedeckt. Aber es ist offensichtlich, dass es hier in erster Linie um wirtschaftliche Interessen geht. Die Organisation Icomos, die die UNESCO in Weltkulturerbe-Fragen berät, hat nun Alarm geschlagen. Parallelen zur Elb-Brücke in Dresden zeichnen sich ab und es wird kräftig am Label gerüttelt. In der Frankfurter Rundschau vom 24.1. wird aber auch kritisch die Funktion von Icomos hintergefragt:
"Und tatsächlich muss man auch diesmal fragen, ob Icomos wirklich nicht weiß, was es seit Jahren schon bedeuten soll, dass im Welterbegebiet Mittelrheintal ein Fleckchen Erde nach dem anderen betrauert werden muss. Jede Wanderung rund um die Loreley zeigt: Hänge sind zugebaut, Weinterrassen aufgegeben worden. Sinnlos wurden Neubaugebiete in den Schiefer gedübelt. Und veraltete Flächennutzungspläne dienen dazu, Natur und Landschaft zu bedrohen. Aus einer romantisch gefärbten Fernsicht ist eine Brücke zwischen zwischen St. Goar und St. Goarshausen eine Zumutung. Aus der Nähe betrachtet erweist sich Icomos als in der Sache unbewandert."

Deutschlandradio Kultur widmete sich heute dem Thema.
In der Süddeutschen Zeitung ist hier ein schönes Bild von den Rheinschlingen zu sehen.

Labels: