31.7.06

Ausstellungsrezensionen

In der FAZ vom 29. Juli 2006 musste ich diesen Satz aus der Ausstellungsrezension mit dem Titel "Komponistenkummer" von Michael Gassmann gleich mehrmals lesen:
Zitat aus der FAZ, S. 39:
"Die Einweisung in die Irrenanstalt am 4. März 1854 nach dem Selbstmordversuch mitten im lauten Düsseldorfer Karneval bedeutete, so könnte man sagen, einen letzten radikalen Rückzug ins Private."
Die Rede ist von Robert Schumann, und man weiss jetzt nicht, was schlimmer war: der Selbtsmordversuch "mitten im lauten Düsseldorfer Karneval" oder die Einweisung in die Irrenanstalt "mitten im lauten Düsseldorfer Karneval". Den "Rückzug ins Private" führt Gassmann immerhin noch weiter aus. Wie und warum der Komponist überhaupt nach Düsseldorf kam, ist nicht klar, ist im Satz davor doch von Endenich die Rede (heute ein Stadtteil von Bonn). War etwa die Irrenanstalt in Endenich? Der Satz ist typisch für die Ausstellungsrezenison über zwei Robert Schumann-Ausstellungen in Bonn - wie ich sie eigentlich nicht lesen möchte: sehr viel Details aus Schumanns Leben, die Kennern bestimmt sehr wohl bekannt sind, anderen (wie mir) aber nicht und die auch nicht sortiert werden. Ich habe nichts gegen Texte mit hohem Niveau - aber eine Ausstellungsrezension soll doch auch auf eine Ausstellung neugierig machen, oder? Was mich natürlich auch interessiert, ist die Gestaltung und die Dramaturgie der Ausstellung. Dazu kein Wort, bzw. ein Halbsatz zu den Örtlichkeiten einer der Ausstellungen. Dass der Inhalt auch verpackt ist und bei Ausstellungen die Gestaltung immer, eigentlich immer mehr eine Rolle spielt, scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben. Dazu ein kleiner Tip: Wie man Ausstellungen besprechen kann, hat der Museologe Friedrich Waidacher in kompakter Form schon vor Jahren ins Netz gestellt, unter:
ausstellungen_besprechen.pdf

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27.7.06

Kommunismus im Museum


"COME SEE A FORTY YEAR EPISODE OF BIG BROTHER" so heißt es auf dem Plakat, das Coolzor in Prag entdeckt hat und das wohl vom dort ansässigen Museum des Kommunismus stammt. Von diesem selbst hat Coolzor ein weiteres Plakat abgebildet: das Museum wirbt darauf mit einer grimmig dreinschauenden Matroschka und hat eine interessante Wegbeschreibung "above Mc Donald's". Geht man auf die dort genannte Internetseite dieses Museums, dann findet man allerlei Kurioses, wie etwa die E-cards mit Arbeiter in Aktion, mit lustig gemeinten Sprüchen wie: "OPENING LATE, CLOSING SOON, ANNOYINGLY LONG LUNCH BREAK". Ich finde, das klingt alles etwas zynisch.

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26.7.06

Das Küstenmuseum Wilhelmshaven ist wieder offen!

Am Sonntag war es soweit: das Küstenmuseum Wilhelmshaven wurde wieder aufgeschlossen und präsentiert sich mit einer sehenswerten Dauerausstellung. Es geht um die Siedlungs- und Stadtgeschichte, und, wie der Namen schon sagt um die Küste, wie sie entstanden ist, wie sie erhalten bleibt, wie sie besiedelt und wie von ihr aus zu fremden Küsten gestartet wird. In dieser Ausstellung ist für jeden etwas dabei, ohne banal oder oberflächlich zu sein. Hinzu kommt eine angenehme Ausstellungsarchitektur, die atmosphärisch durch die ehemalige Exerzierhalle der Marine begleitet, schöne Objekte wie die Steine, die ein Wilhemshavener Bürger von jedem abgerissenen Bauernhaus sammelte und etikettierte, nette gestalterische Ideen, wie zum Beispiel der Leuchtturm, in dem sich zugleich der Fahrstuhl versteckt. Nicht nur Kinder können im Forscherlabor aktiv werden, indem sie sich wie die WissenschaftlerInnen auf die Spurensuche begeben. Wer sich in der Sommerfrische an der Nordsee befindet, sollte auf jeden Fall einmal hineinschauen!

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20.7.06

Neuer Kulturdezernent, neues Museum

In Frankfurt am Main wird es künftig ein eigenes Haus für die bislang im Historischen Museum untergebrachten Karikaturen geben. Ganz bescheiden strebt man den Titel "Deutschen Karikaturenmuseum". In der Tat gibt es in Deutschland so viele Werke - nämlich um die 5000 - der Neuen Frankfurter Schule nur hier. So hat Robert Gernhardt noch kurz vor seinem Tode dem Museum seine Bilder überlassen. Es sollen wohl auch Werke aus dem 19. Jahrhundert, die sich zur Zeit noch in der Sammlung des Historischen Museum befinden, dem neuen Museum zugeschlagen werden. Geplant war dies schon eine Weile, der neue Kulturdezernent Semmelroth macht nun seine erste Amtshandlung draus. Untergebracht wird die Institution im Leinwandhaus - ein gotisches Steinhaus aus dem 14. Jahrhundert, das nach schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg aber wohl einigermaßen originalgetreu wieder aufgebaut wurde, wie Wikipedia weiss und das seinen Namen aus der Zeit hat, also dort Leinwand, Garn und ähnliches aufbewahrt wurde. Weichen müssen dafür: die Kommunale Galerie - diese wird aufgelöst; (ob das ein Verlust ist, kann ich nicht beurteilen, ich hatte noch nie von ihr gehört) und das "Fotografie Forum International", das kleine, feine Ausstellungen macht. Dieses soll in ehemalige Behördenräumlichkeiten ziehen, wohin genau, ist noch unklar.
Die Frankfurter Rundschau hat darüber berichtet.

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18.7.06

Weshalb gehen Sie eigentlich ins Museum?

Das "Ländle" hat sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um für seine Landesmuseen zu werben. So heißt es auf der Museumsseite des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg:
"Hinterherpfeifen ist in unseren elf Landesmuseen nicht gestattet."
Zu sehen sind elf Abbildungen von anscheinend weiblichen Wesen. Und als wäre dem noch nicht genug, heisst es da noch: "Natürlich sind spontane Gefühlsausbrüche bei solch prächtigen Exponaten verständlich. Doch bitte bedenken Sie: die Mitbesucher wie auch die Damenwelt schätzen viel mehr die leisen Töne." Aha. Logischerweise gibt es auch eine Seite für Museumsbesucherinnen, bzw. für die Damen. Hier heisst es: "Männer für gewisse Stunden" - der "junge Schönling in Öl" und der "bärtige Naturbursche aus dem Pliozän" erwarten die Museumsbesucherin mit "offenen Armen" - selbstverständlich nur tagsüber. Welcher Marketing-Teufel hat da nur das Ministerium geritten?

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14.7.06

Was ist ein Weltkulturerbe?

Die Zeitung "Die Welt" denkt heute über das "Dilemma der Beliebigkeit" nach - über die von der UNESCO geführten Liste der Weltkulturerbe. Denn in Vilnius ist eben die Konferenz des Welterbekomitees zu Ende gegangen. Das Komitee berät darüber, ob eine Stätte neu aufgenommen, auf die Rote Liste oder von der Roten Liste wieder gestrichen wird. Die UNESCO weist darauf, dass sie vor der Aufnahme die "Einzigartigkeit" und "Authentizität" einer Kulturstätte überprüft bzw. bei einem Naturdenkmal die "Integrität". Seit Juli 2006 hat die Organisation dies weltweit 848 Stätten bescheinigt - merkwürdig dabei ist, dass über ein Drittel davon, nämlich 348, in Europa liegen. Der Okzident hat sich also einmal mehr durchgesetzt, und mehr noch, die Kriterien scheinen sich immer beliebiger zu werden. "Die Welt" befand zur Arbeit des Welterbekomitees (das sich aus 600 Delegierten aus 182 Staaten zusammensetzt): "Was auf der Welterbeliste der Unesco geführt wird, ist also das Ergebnis von Zufällen und höchst subjektiven Erwägungen, ist also nur Welterbe, weil die Unesco es so nennt." Das Problem sei, dass nicht eine unabhängige Jury selbst darüber befindet, was aufgenommen wird, sondern das Komitee nur über die eingereichten Vorschläge abstimmt.
Auch mir scheint, das Auswahlsystem sollte überdacht werden, vielleicht mehr Strenge, weniger Kompromisse. Denn ändert sich etwas, ob eine Stätte auf der Liste steht oder nicht? Am Beispiel von Köln und Dresden kann man das gut beobachten, denn in diesen beiden Städten bangte man um den Erhalt der Welterbestätten. Die eine wurden von der Liste gestrichen, da die Kölner sich durchgerungen hatten, die Hochhäuser in Köln-Deutz nun doch niedriger als geplant zu bauen, damit sie die Sicht auf das Weltkuturerbe Dom nicht beeinträchtigen. Dresden wurde nun auf die Liste gesetzt, da die geplante "Waldschlösschenbrücke" inmitten der geschützten Elbauen gebaut werden soll. Für die Brücke hatten sich die Bürger und Bürgerinnen selbst entschieden, auch wenn die Gegnerschaft groß war und ist. Der UNESCO hatte man bei Antragsstellung falsche Angaben gemacht. Und wie sieht man in Dresden die Sache? Über den ganz eigenen Blick der Dresdner und Dresdnerinnen auf ihre Stadt durften wir schon während des ganzen Rummels um den Neuaufbau der Frauenkirche erfahren. So war nun im Spiegel zu erfahren, dass die städtische Riege der CDU-Politiker, weiter auf den Bau beharren. Denn, so ihr Kalkül, die Touristen kommen sowieso - egal, ob da eine Brücke steht oder nicht. Der Titel der Sendung, die der MDR heute abend ausstrahlt, ist bewußt provokant, passt aber gut dazu: Elbbrücke - Wird Dresden von der UNESCO erpresst?

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Der Ochse vom Hessischen Landesmuseum

Dieser Ochse im Gewicht  von 21 Zentnern wurde am 15. Mai 1893 von der Metzger-Innung Darmstadt als erstes Schlachtvieh im neuen Schlachthof geschlachtetEine Trouvaille im Hessischen Landesmuseum Darmstadt und eine herzzerreißende Geschichte, auch für eine Nicht-Vegetarierin.
Auf der Messingtafel steht:
"Dieser Ochse im Gewicht von 21 Zentnern wurde am 15. Mai 1893 von der Metzger-Innung Darmstadt als erstes Schlachtvieh im neuen Schlachthof geschlachtet."

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12.7.06

Die Blechtür von Zinedine Zidane

Wie sich Fußball als Ausstellungsthema macht, durften wir ja in diesem Jahr reichlich erfahren. In Frankfurt gab es es etwa im Museum für Kommunikation in Frankfurt die Ausstellung „TOOOR! Zur Geschichte der Fußballreportage“ (nachzulesen auf HR-Online) und im Historischen Museum die köstliche Schau "Wie TITANIC einmal die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte". Auch sei an dieser Stelle einmal auf die jahrelangen Bemühungen des Kollegen Martin Wörner hingewiesen, der für ein Deutsches Fußballmuseum kämpft.

Nun gibt es ein weiteres Objekt, das sich aufgrund seiner Geschichte hervorragend zur Musealisierung eignet: die Blechtür von Zinedine Zidane. Die Musée sentimental-taugliche Geschichte geht so: In der WM-Vorrunde 2006 trafen in Leipzig Südkorea und Frankreich aufeinander. Der Kapitän der französischen Mannschaft, Superstar Zinedine Zidane, genannt "Zizou", hatte für diese Weltmeisterschaft seinen Rücktritt nochmals verschoben. Für einen sicheren Platz im Achtelfinale müßte Frankreich gewinnen. Doch es klappte nicht alles wie gewünscht. Zudem holte sich Zidane eine gelbe Karte; seine zweite. Damit war er für das letzte Vorrundenspiel gesperrt. In der 90. Spielminute, beim Stand von 1:1, ließ ihn der Trainer Domenech auswechseln. Sein Abgang hätte zugleich sein letztes Spiel bei dieser Weltmeisterschaft bedeuten können - wenn Frankreich die Vorrunde nicht überstehen sollte. Sichtlich erschüttert verließ Zidane den Platz in Richtung Umkleideräume und würdigte seinen Trainer keines Blickes. Die Wut war so groß, dass er der nächsten Blechtür einige Tritte verpasste. Die mit Trittspuren verunstaltete Tür verärgerte aber in Leipzig niemand, im Gegenteil: Verkaufsanfragen wurden abgelehnt.

Während dieses Stück Fußballkultur also verortbar ist und in situ berwahrt wird, werden in ein paar Jahren bestimmt einige Ausstellungsmacher nach der roten Karte suchen, die der Schiedsrichter im WM-Finale Zidane nach dem berüchtigten Kopfstoß vorzeigte.

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11.7.06

Wann wird die Ausstellung "11 000 Kinder" auf deutschen Bahnhöfen gezeigt?

Seit einiger Zeit verweigert die Deutsche Bahn AG, eine Wanderausstellung auf ihren Bahnhöfe zu zeigen: "11 000 Kinder" heisst die in Frankreich von der Organisation "Fils et Filles des Déportés Juifs de France" konzipierte Ausstellung. Sie gibt den Opfern des Nationalsozialismus Gesichter, da die Bilder Jungen und Mädchen porträtieren, die auf der Schiene in die Todeslager gebracht wurden. Während auf den 18 französischen Bahnhöfen die Schau von den Reisenden gut angenommen wurde, befürchtet man auf deutscher Seite, dass die hektischen Bahnhofatmosphäre dem Thema nicht angemessen sei. Beate Klarsfeld (ja, die mit der Ohrfeige), die federführend in der Organisation tätig ist, sagte neulich in der Frankfurter Rundschau (29.6.06) dazu: "Es hieß, es gäbe kein Geld, etwa um die Ausstellung zu bewachen. Zudem könne man das deutschen Reisenden nicht zumuten." Wenn ich daran denke, was einem sonst auf den Bahnhöfen zugemutet wird (billige Ramschstände, Werbeaktionen von Autofirmen etc), dann wäre diese Ausstellung ein großer Gewinn - gerade auch für die Bahn, um mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte zu beginnen. Denn es wurden über die Gleise der Deutschen Reichsbahn, die heute die Deutsche Bahn AG nutzt, die Todes-Transporte durchgeführt. In einigen Orten wie in Weimar bildeten sich sogar Bürgerinitiativen für die Ausstellung, die diese Aufarbeitung fordern und den Opfern gedenken wollen - doch bislang vergebens. In Frankreich hat sich die SNCF hat sich zu dieser Verantwortung bekannt und stellte immerhin Stellwände, Aufsicht und Transport kostenlos zur Verfügung. Die Deutsche Bahn AG zieht sich hinter fadenscheinigen Argumenten zurück und möchte die Ausstellung ins hinterste Eck des Nürnberger Eisenbahnmuseums verbannen. Die resolute Frau Klarsfeld hat nun ein Ultimatum gestellt: Da das für gestern vorgesehene Gespräch mit der Deutschen Bahn AG und anderen kurzfristig abgesagt wurde, möchte sie bis heute um 14 Uhr einen anderen Gesprächstermin - oder sie mobilisiert die Weltöffentlichkeit. Dann bin ich ganz sicher, dass wir die Ausstellung bald im Frankfurter Bahnhof oder in einem Berliner Bahnhof sehen werden - und nicht in Hintertupfingen.

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10.7.06

Neulich in Champlitte

Durch Champlitte kommt man eher zufällig, denn dieses malerische Örtchen in der französischen Region Franche-Comté liegt eher abseits touristischer Pfade. Der Ort ist aber einen Besuch wert: nicht nur wegen seines Weines, der dort (wieder) angebaut wird, sondern wegen eines Museum, dem Musée d'Art et Traditions populaires, 1957 gegründet von Albert und Félicie Demard. Das Museum gehört zu einem Verbund von drei Departementsmuseen und ist seit den 1960er Jahren im Schloss von Champlitte untergebracht. Die Gemeinde mit etwa 1500 Einwohnern und liegt ca. 50 Kilometer nördlich von Dijon. also in einer eher ländlichen, ursprünglich sehr reichen Gegend. Seit dem 13. Jahrhundert stand hier bereits ein Schloss der Familie de Vergy. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es öfters abgerissen, niedergebrannt und wieder aufgebaut. So, wie sich das Gebäude heute präsentiert, stammt es zum großen Teil aus dem 18. Jahrhundert. 1825 verließen es die letzten adligen Besitzer und verkauften das Gebäude an die Gemeinde; seitdem waren dort Rathaus und Schule untergebracht. Dann zog das Museum ein, dessen Sammlung sozusagen en famille entstanden war: Albert Demard aus Champlitte, seine Frau Félicie, (die beide inzwischen verstorben sind), und nun deren Sohn Jean-Christophe widmeten sich ihrer Heimat, indem sie die materielle Kultur zusammentrugen. Interessant dabei ist, dass die Demards keinen (bildungs)bürgerlichen Hintergrund hatten, sondern, wie man so schön sagt, aus einfachen Verhältnissen stammten und das Sammeln ihre große Leidenschaft war.
Der Zugang zum Museum ist eindrucksvoll: Um den Eingang zu erreichen, muss erst der imposante Ehrenhof überquert werden. Mit einem Audio-Guide in der Sprache unserer Wahl versehen, machen wir uns dann im Innern auf den Rundgang. Zunächst werden wir durch Räume geleitet, die mit Beständen der letzten Schlossbewohner eingerichtet sind. Die Referenz an den Ort ist nicht verwunderlich, denn das gehört dazu: Räume mit zerschlissenen Fauteuils, einer Bibliothek, Tischchen und Porträts der vormalige Besitzerfamilie. Was uns anschließend erwartet, ist eine Art in Räume gestopftes Freilichtmuseum - denn das Schloss ist sehr geräumig. Wir werden in einem Zickzack- Kurs in die verschiedenen Stockwerke gelotst, die mit Inszenierungen des Lebens in der Franche-Comté Ende des 19. Jahrhundert/Anfang 20. Jahrhundert gefüllt sind. Ein Interieur reiht sich an das andere. Natürlich fehlen auch die lebensgroßen Puppen nicht, die auf Stühlen an Tischen sitzen und die Besucherin starr fixieren. Einzelne Raumfolgen sind einem Thema gewidmet, wie "Soziales Leben", "Wohnen" oder "Handwerk"; alle sollen sie das ländlich-dörfliche Leben der Region widerspiegeln. So wandern wir von einem Schulzimmer in einen Lebensmittelladen, von der Hutmachwerkstatt in eine Scheune. Die Raumtexte geben immerhin mehr wieder als die knappe Zusammenfassung des Audio Guides, sind aber nur auf französisch. Objekttexte sind selten, und wenn sie vorhanden sind, dann sind sie sehr kurz. Ob es sich um komplette Interieurs handelt oder um im Nachhinein zusammengestellte Szenen, wird nicht immer klar. Natürlich sind auch Kleinode dabei: etwa eine Zahnarztpraxis aus der Zeit der Jahrhundertwende, die sehr modern wirkt und frappierend an die gegenwärtigen erinnert. Kurios sind die "chambres du terroir", eine hommage an die Museumsgründer. Mehrere Inszenierungen sollen das Wohnen auf dem Bauernhof visualisieren. Die Demards hatten die Objekte in den 1950er Jahren in der Nähe von Champlitte gesammelt. Manche Stücke haben eine besondere Geschichte, auf die uns der Audio-Guide aufmerksam macht, leider fallen dadurch andere weg. Durch wie viele Räume wir uns gekämpft haben, weiß ich nicht mehr - am Ende konnte ich keine Blechdosen, Hutmachermodelle oder Dreschflegel mehr sehen. Natürlich habe ich auch ein paar Dinge gelernt: etwa, dass im Hospiz des 19. Jahrhundert mit blau und rot gestreifter Bettwäsche zwischen Protestanten und Katholiken unterschieden wird. Oder dass in der Region Hanf zur Textilherstellung angebaut wurde und heute noch wird, wovon wir uns selbst überzeugen konnten. Während wir im Schloss die alten Marionetten, Kegel und einen Schaustellerwagen anschauen, die während der Fêtes paroissiales (Pfarrfeste) im 19. Jahrhundert eingesetzt wurden, dröhnt unten vom Kirchplatz die Musik des Autoscooters des diesjährigen Festes herauf. Ich frage mich, ob ein "Box-Auto" (so hieß das bei uns) auch mal im Schloss landen wird? Wahrscheinlich eher nicht, denn ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass das Museum Sammlung und Präsentation in irgendeiner Weise kritisch reflektiert. Die durchaus interessante Sammlung wurde einfach ins Schloss hineingestellt, wo und wie sie gerade passte. Allein durch den Ort - ein Schloss- erfolgt eine gewisse Brechung, da man in einem Gebäude mit feudalherrschaftlichem Charakter keine Alltagskultur erwartet. Aber das Staunen kommt irgendwann während des Rundgangs abhanden. So wird ein heiles Bild der ach so schönen Vergangenheit konstruiert: in jedem Dorf gab es einen Laden, eine Schule, der Töpfer hat getöpfert, der Bauer Hanf angebaut und im Café wurde getrunken. Also: ein kurioses Museum mit interessanten Objekten und hohem Nostalgiefaktor. Leider auch ein Beispiel dafür, wie man es heutzutage eigentlich nicht mehr machen sollte - auch nicht in der sogenannten Provinz.

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5.7.06

Wenn Museen online gehen

Mittlerweile haben es auch die Museen begriffen: eine gute Internetseite ist die Visitenkarte der Institution. Eine äußerst interessante Seite hat das Hessische Landesmuseum in Darmstadt zu bieten. Interessant deswegen, da nicht nur das Übliche präsentiert wird wie allgemeine Informationen, Sammlungsgeschichte und Ausstellungen. Gleich auf der Willkommensseite fällt oben ein horizontaler Streifen auf, der mit "Universum" betitelt ist. Wenn man draufklickt, dann öffnet sich ein Fenster, das Universum, das noch weiter in die Rubriken Materie, Raum, Zeit und Energie unterteilt ist. Es geht dem Museum darum, "Bezüge zwischen Natur- und Kulturgeschichte anschaulich machen, getrennte Sammelauftritte als Einheit präsentieren". Diese innovative Idee wird anschaulich in sehr schönen Flash-Animationen umgesetzt, mit schönen Bildern, kurzen Texten und lustigen Geräuschen. Ausprobieren!

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4.7.06

Mein Senf zum MQB - Musée du quai Branly

Das neue Museum in Paris, auf das alle so lange gewartet haben, ist eröffnet: Staatspräsident Chirac hat nun endlich auch sein eigenes. Wahrscheinlich wollte er nicht mehr nur in die Häuser von seinen Vorgängern Giscard d'Estaing, Pompidou oder Mitterrand gehen.
Warum heisst das Museum eigentlich nicht nach Chirac? Lange Zeit sollte die Institution, die Sammlungen des Musée de l'Homme und des Musée National des Arts Afrique et d'Océanie neu präsentiert, als Museum der 'arts premiers' deklariert werden. Da aber während des über 10jährigen Entstehungsprozess bis heute nicht genau geklärt werden konnte, was mit dem Begriff arts premiers nun eigentlich gemeint ist, mußte am Ende mal wieder der Standort herhalten. Für ein Musée Chirac ist es wohl doch noch zu früh. Es gibt inzwischen sogar Gerüchte, dass die Institution nach dem großen französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss benannt werden soll. Das wäre nur logisch: zwar ist das Ganze eine Herzensangelegenheit von Jacques Chirac gewesen, aber Lévi-Strauss hat es erst möglich gemacht. Als Ehrenvorsitzender der für das Museumsprojekt eingesetzte Kommission hatte er das bis zuletzt umstrittene Konzept von Anfang an unterstützt. Und wenn erst ein Lévi-Strauss dafür ist, dann ist das Geld vom Präsidenten eine Lappalie. Viel gäbe es noch zu sagen, ohne dass ich schon einen Fuß hineingesetzt hätte. Doch mehr dazu nach dem nächsten Paris-Besuch!

Alle haben darüber berichtet, deswegen nur einige special links:
Spiegel online
Deutsche Welle mit Kommentaren von der Museumsbloggerin
Blog "Kulturelle Welten" mit weiteren Hinweisen

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Der Museumsblog ist online!

Also, was ein Blog ist, weiss ich schon länger, da am Schreibtisch gegenüber der Macher des hervorragenden Betonblogs sitzt. Und dass ein Blog ein ideales Medium für Museen und Ausstellungen sein kann, hat ein Ex-Kollege aus Bonn erfolgreich in seinem Blog Kulturelle Welten vorgeführt. Dazu möchte ich nicht in Konkurrenz treten, sondern: die museale Bloglandschaft soll vielfältiger werden. Die Idee ist, Kolleginnen und Kollegen auch das Wort zu überlassen - sei es, um über eine sehenswerte Ausstellung zu berichten oder um Neuigkeiten aus der Welt der Museen zu verkünden. Denn es: es tut sich viel, nicht nur hierzulande.