28.2.07

Kurioses auf dem Lande

Ein Sammelsurium der besonderen Art bietet der Bahnhof Waldenburg im Hohenlohischen (Baden-Württemberg), der zwar noch als Bahnhof dient, aber von einer Initiative auch als "Kunstbahnhof"genutzt wird. Im Vorraum zum Fahrkartenverkauf, also da, wo früher die Schulkinder tobten und im Winter die Raucher standen und auf den Zug warteten, befindet sich nun das Kunstprojekt "ZwischenLager ZeitRaum" von Hans A. Graef. Mich hat weniger der künstlerische Anspruch - Marcel Duchamps und seine readymades und Joseph Beuys, dem die Gepäckaufgabe gewidmet ist - zum Staunen gebracht, sondern die Masse an Dingen, die sich in Regalen und Vitrinen, auf Tischen und sonstigen Ablagen befindet, und sich nach manchmal nicht erkennbaren Prinzipien, dicht an dicht drängen. Da gibt es die Vitrinen rot, blau und gelb, in denen Dinge aller Art stehen (das reicht von kleinen Figuren, über Verpackung zu Büchern), eine Poststelle, deren Fächer mit Papierstücken gefüllt sind, Labormaterial, das wohl aus den 1950er Jahren stammt, Zeitschriften, Platten, Bücher, Becher, Holzstücke... ich weiss nicht mehr, was noch alles, mir summt noch der Kopf. Ich frage mich: Wie kann man nur so viele Sachen sammeln? Wie behält man da den Überblick? War ich bei einem Messi zu Besuch oder in einer Kuriositätenkammer? Fragen über Fragen, beeindruckend ist es allemal.

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27.2.07

Restitution von Kunst

Ein Buch, das nicht nur interessant klingt, sondern auch sehr wichtig ist: Die Historikerin Monika Tatzkow und der Jurist Gunnar Schnabel haben sich damit beschäftigt, wie die Museen mit der Restitution von Kunst, die von den Nazis gestohlen wurde, umgehen. Eines ist vor allem wichtig: Kommunikation mit den Vorbesitzern. Daran haben deutsche Museen oftmals kein Interesse.
So kann man heute in einem Interview in der taz lesen:

"Gunnar Schnabel: Die Atmosphäre ist vergiftet, wenn sich das Museum tot stellt. Wer nicht weiß, wo sein Bild zu finden ist oder gegen wen er Ansprüche erheben kann, der geht natürlich zu Finanziers wie den großen Auktionshäusern. Dann braucht er einen Anwalt und einen Historiker, der das recherchiert. Wenn die erst alle im Boot und die Honorarforderungen auf dem Tisch sind, ist der Zug in der Regel abgefahren. Dann gibt es nur noch Konfrontation."

Bislang gibt es übrigens in Deutschland nur in der Hamburger Kunsthalle eine festangestellte Provenienzforscherin.
Das Buch heißt "Nazi Looted Art - Handbuch Kunstrestitution weltweit", und ist im Proprietas-Verlag erschienen.

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22.2.07

Wie Berlin die Expansionspläne des Louvre sieht

In der Süddeutschen Zeitung vom 22.2. äußert sich Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu den Plänen der französischen Regierung, einen Ableger des Louvre in Abu Dhabi zu eröffnen:
"Die Jetset-Touristen werden die Besucher in Abu Dhabi sein, die nach dem Spektakulären, dem Besonderen suchen. Und da ist die hochwertige Kunst gerade recht. Die einheimische Bevölkerung wird den geringsten Besucheranteil ausmachen. Derart aufbereitete Kunst wird wohl oder übel zu einem Bestandteil des Lifestyle. Sie wird ihren Gesetzen unterliegen, wird auswechselbar, beliebig werden. Es steht zu befürchten, dass der schnelle Erfolg des Geldes die Museen verändern wird. Sie sind dann nicht mehr das geistige Tagebuch eines Landes und einer Epoche, sie büßen ihre Aura ein, werden zu einer frei floatenden Ware."
Der "Wüstenlouvre" im Museumsblog: hier, hier und hier.

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21.2.07

Bei den Kindern der Manns zu Besuch

Noch bis zum 24. Februar ist die kleine und überschaubare Ausstellung "Die Kinder der Manns" in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main zu sehen. Es geht nicht nur um Klaus und Erika oder Golo, sondern auch um die weniger bekannten Kinder Monika, Michael und Elisabeth. Eine Fülle von Fotos, Briefen, Manuskripten oder Filmen bietet sich auf engstem Raum, um die Biographien der Mann-Kinder aufzufächern. Die Ausstellung ist einfach, aber charmant und übersichtlich inszeniert. Gefallen hat mir etwa die Idee, mit Folien am Boden imaginäre Räume zu inszenieren. Man sieht ihr auch das Prinzip der Wanderausstellung gleich an, da die Vitrinen praktische Schlitze zum Tragen haben, also zugleich Transportkisten sind. Leider stört der Geräuschpegel von den verschiedenen Audiostationen doch manchmal. Es ist eine kleine, feine Schau; für mich stellt sich nur die Frage, ob man sich nicht langsam an der Familie Mann satt gelesen, gehört und gesehen hat.

Bei der Ausstellung handelt es sich um Gemeinschaftsprojekt der Monacensia München, des Buddenbrockhauses Lübeck und des Literaturhauses München. Die Präsentation wurde von unodue gestaltet und ist in der Deutschen Nationalbibliothek in FFM in der Adickesallee 1 bis zum 24. Februar zu sehen.

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20.2.07

Die militärgeschichtlichen Museen rüsten auf


Seit einiger Zeit sind in den militärgeschichtlichen Museen interessante Dinge zu beobachten:
Angefangen hatte es vor einiger Zeit mit dem Imperial War Museum London, nun ziehen auch das Militärhistorische Museum der Bundeswehr Dresden und das Musée de l'Armée in Paris nach. In Dresden soll 2008 die neue Dauerausstellung eröffnet werden, die auf über 9.000 qm nicht technikgeschichtlich, sondern kulturgeschichtlich ausgerichtet sein soll. Für dieses Vorhaben wurde der Architekt Liebeskind gewonnen, der ja auch schon die imposante Außenstelle des Imperial War Museums in Manchester entworfen hat. In Dresden treibt Libeskind einen Keil in das ehemalige Arsenalgebäude. Der Stuttgarter Architekt HG Merz sorgt für die Ausstellungsarchitektur; ein Autorenteam sorgt für die inhaltliche Umsetzung.

In Paris läuft seit 2003 das Programm "Athéna (Armes, techniques, Histoire, Emblèmes, nation, Armee). Hier soll (Napoleon lässt grüßen) nach seiner Modernisierung das wichtigste militärgeschichtliche Museum des Planeten entstehen, so der Direktor und General Robert Bresse. Die Arbeiten erfolgen sukzessive; fertigestellt ist bereits die Präsentation zu den älteren Waffensammlungen, die seit 2005 zu sehen ist und die Zeit zwischen 1871 und 1945, die seit Sommer 2006 präsentiert wird. Es folgt noch ein Museum für Charles de Gaulle und die Abteilung Ludiwg XIV bis Napoleon III und weitere interne Modernisierungen. Die Bilder zeigen einen Blick in die alten (neuen) Waffensammlungen und eine in Szene gesetzte Studiensammlung des Pariser Museums. Eine Entwicklung, die es weiter zu verfolgen gilt.

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19.2.07

Gedächtnis und Universalität - Tagung als Webcast

Neulich wurde hier über die Herkunft der Dinge gepostet und auf eine Veranstaltung der UNESCO in Paris verwiesen. Beiträge der Veranstaltung "Memory and Universality: New Challenges Facing Museums" sind hier als Webcast zu sehen und zu hören, u.a. der Direktor des Louvre, Henri Loyrette und aus Benin Alain Godonou, Leiter der École du Patrimoine Africain.

15.2.07

Her mit dem Original!

Museen können, im Vergleich zu anderen kulturellen Institutionen, damit punkten, dass sie Originale zeigen. Das hat sich wohl auch das Musée d'art et d'industrie in Roubaix gedacht, das künftig das Pariser Künstleratlier von Henri Bouchard aufnehmen wird. Das Musée ist seit einiger Zeit im sehr schön restaurierten Art-Déco-Schwimmbad untergebracht. Das Atelier von Bouchard soll hier, so heißt es in der FAZ vom 13.2.2007, "originalgetreu" wieder aufgebaut werden. Der kleine Schönheitsfehler dabei ist: Das Atelier des Bildhauers steht in keinem Abbruchhaus, noch irgendwo in Kisten verpackt, nein, es ist das Musée Bouchard in Paris selbst, das frühestens in drei Jahren wieder zu sehen sein wird. Dabei ist dieser Beschluss schon ein Kompromiss, dass das von der französischen Museumsdirektion DMF registrierte Museum aushandeln konnte. Die Museumskonservatoren - der Sohn des Bildhauers, François und seine Frau Marie, (beide über 80), fühlen sich langsam zu alt, um weiter zu kämpfen, wie sie es über 40 Jahre lang mit kleinen Ausstellungen und Publikationen getan haben. Zwar kennt kaum noch jemand Henri Bouchard (1875-1960), zu seiner Zeit war der Künstler aus Dijon aber als Kunstprofessor und Bildhauer fest in die Pariser Szene eingebunden. In seinem Atelier, in das er 1924 eingezogen war, wurde kaum etwas verändert. Marie Bouchard studierte extra an der renommierten Pariser Kunsthistoriker-Schule École du Louvre, um das Werk ihres Schwiegervaters richtig würdigen zu können. Denn man kennt ihn doch, da Bouchard auch Skulpturen für den öffentlichen Raum gestaltet hat, die noch heute zu sehen sind, darunter Fassaden, Grabmale oder die Apollon-Figur am Palais de Chaillot in Paris. Ein Besuch im Atelier ist, glaubt man den Beschreibungen wie zum Beispiel hier, sehr bewegend und einzigartig. Ein letztes Kleinod, wie die FAZ schreibt. Ob es in Roubaix auch noch so sein wird?
Eher nicht, deswegen hier die Adresse - bis 14. März haben wir noch die Gelegenheit:
Musée Bouchard, 25, rue de l'Yvette, 75016 Paris, geöffnet mittwochs und samstags von 14-19 Uhr.

14.2.07

Piktogramme bitte mit Heft!

Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt eine sehr schöne Ausstellung über Piktogramme. Kunst meets Gebrauchsgraphik, so könnte man fast sagen, finden doch auch etwa die Bildstatistiken von Otto Neurath und Gerd Arntz ihre Berücksichtigung. Sehr schön fand ich auch das Blatt von Otl Aicher, auf dem er verschiedene Zeichen für Frauentoiletten aus der ganzen Welt gesammelt hat. Interessant ist die Art von Geheimbotschaften, die Künstler wie Kandinsky und Willi Baumeister entwickelten. Dürers Hase und seine Kopien aus der Neuzeit werden durchdekliniert, ebenso kann die Bild-Datenbank eines chinesischen Künstlers durchforstet werden. Die Ausstellung war sehr inspirierend, zugleich hätte ich mir mehr Informationen gewünscht. Ein kleines Heft, wie ich es einmal hier beschrieben habe, hätte mir noch mehr Genuß und Erkenntnis verschafft.

13.2.07

Die Herkunft der Dinge

Wenn man einmal so überlegt, was die Museen weltweit miteinander verbindet, ist es eigentlich nicht der Bildungsauftrag, noch das Ansinnen, das kulturelle Erbe möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Nein, es ist die Sorge, möglicherweise ein Objekt in der Sammlung zu haben, das unter dubiosen Umständen ins Museum kam. Möglichkeiten gibt es hier viele: etwa die Stücke, die die Nazis jüdischen Sammlern abpressten und die irgendwie in die Museen kamen; die Objekte, die in den Wirren des zweiten Weltkrieges mitgenommen wurden oder die Stücke, die durch Kolonialismus abhanden gekommen sind. Hier ist es besonders krass: Über 95 Prozent des afrikanischen Patrimoine, so war dieser Tage auf einer Veranstaltung der UNESCO in Paris zu hören, ist in Museen auf anderen Kontinenten zu finden. (Dass die etablierten Museumsdirektoren davon nichts hören wollten, wundert nicht).
Eine weitere Variante, Objekte ohne Stammbaum zu vertreiben, findet man in Italien. Dort verschwinden wohl seit Jahren im großen Stil Stücke aus Museen oder von Ausgrabungen, die dann später in großen amerikanischen Museen wieder auftauchen. Den Drahtziehern ist man auf die Spur gekommen und in Rom läuft gerade ein Prozess gegen eine ehemalige Angestellte des J. Paul Getty Museums in Los Angeles, die für ihren Arbeitgeber im großen Stil auf diese Weise eingekauft hat. Der Bericht über ihre Machenschaften und die der anderen Kunsträuber (in der FAZ vom 10.2.2007) liest sich wie ein gut ausgedachter Krimi.
Eine weitere Gemeinsamkeit der Museen ist, dass die betroffene Institutionen bzw. die als Diebe veurteilten Hehler oft argumentieren: Es ist ja nicht so wichtig, wie das Stück in die betreffende Institution gekommen ist (also ob durch Raub, Erpressung oder Hehlerei), sondern dass das Stück hier ohne Zweifel am allerbesten präsentiert werde. Zynisch ist auch die Antwort, die die Vertreterin von ICOM dem Vertreter aus Afrika auf der UNESCO-Veranstaltung gab: Heute sei man ja mit der Digitalisierung von Bildern schon so weit, dass man sich in Afrika die Dinge auf dem Bildschirm anschauen und auf diese Weise am kulturellen Erbe teilhaben könne. Wie war das nochmals mit den Originalen?

9.2.07

Pflanzliche Tollerei

Patrick Blanc hat grüngefärbte Haare und ganz lange Fingernägel, mit denen er aber erstaunlich filigran zarte Pflanzen anfasst. Er ist habilitierter Biologe, genauer Tropen-Botaniker. Seine Liebe zu Pflanzen hat sich während zahlreicher Besuche von Aquarien schon in seiner Kindheit entwickelt, wobei er bald feststellte, dass die Fische eigentlich überflüssig sind. Seit einiger Zeit erfreut er andere Menschen mit seinen Kenntnissen von Pflanzen, indem er sogenannte murs végétals in oder an Gebäuden in der ganzen Welt erstellt. Die mittlerweile bekannteste ist die am Verwaltungsgebäude des Musée du Quai Branly. Nun hat er im Espace Electra des französischen Stromkonzernes EDF in Paris eine Ausstellung inszeniert, die eine wahre Freude ist. Das graue Pariser Schmuddelwetter war sofort vergessen, als ich durch die Tür trat: Es ist dunkel, sehr feucht und über mir wölbt sich eine Decke aus hängenden Pflanzen, begleitet vom Rauschen eines Wasserfalles. Die Ausstellung widmet sich den Pflanzen, die ganz wenig Licht brauchen, Pflanzen, die etwa in oder am Rande von Grotten wachsen. Es macht totalen Spass, diese Pflanzen zu entdecken, die beim näheren Betrachten viele Eigenheiten aufweisen. Im Untergeschoß wabert Nebel um eine Felsinstallation, auf dem oberen Stockwerk rauscht das Wasser in kunstvoll arrangierten Röhren, in denen Wasserpflanzen gleichsam schweben. Beeindruckend sind auch die Fotografien bzw. die Mikroskopaufnahmen von Früchten, Blüten, Blättern und Wurzeln. Und im Film (deshalb weiss ich auch von seinen Haaren und den Fingernägeln), der Patrick Blanc vorstellt, sagt er präzise, was sein Anliegen ist: Zu zeigen, wie anpassungsfähig Pflanzen sind und welchen großen Beitrag sie für die Biodiversität leisten. Das Rauschen des Wassers, die Lichteffekte, der Geruch der Pflanzen und die Farben der Pflanzen machen aus der Ausstellung ein wahrhaft synästhetisches Erleben. Kein Wunder, dass die Ausstellung an einem Vormittag mitten in der Woche sehr gut besucht ist. Aufgrund des großen Erfolges ist die Ausstellung bis zum 18. März verlängert worden.
Folies végétales via Kulturelle Welten.

8.2.07

Das DHM kündigt eine Tagung an

Im Deutschen Historischen Museum in Berlin findet zwischen dem 14. - 16. März 2007 das Internationale Symposium "Gedächtnis der Nationen? Neue nationale Geschichts- und Kulturmuseen: Konzeptionen, Realisierung und Erwartungen" statt. Geladen sind illustre Gäste aus Japan, Neuseeland oder Frankreich. Es soll herausgearbeitet werden, so die Ankündigung, "ob und wie es den neukonzipierten Museen gelingt, Gedächtnis der Nation zu sein, um in diesem Sinne von den Besuchenden angenommen zu werden". Besucher kommen aber, glaube ich, hier nicht zu Wort.

Das Programm kann man sich hier als PDF herunterladen.
Um sich die Gründung des DHM wieder ins Gedächtnis zu rufen, empfehle ich die Lektüre von Moritz Mälzer: Ausstellungsstück Nation. Die Debatte um die Gründung des Deutschen Historischen Museums in Berlin (Reihe Gesprächskreis Geschichte 59). Bonn 2005. Dieses Buch kann bei der Friedrich-Ebert-Stiftung als PDF oder altmodisch als Buch bezogen werden.

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7.2.07

Musée du quai Branly, die vierte



Ich habe nun das auch hier schon viel besprochene Musée du Quai Branly in Paris besichtigt. Es hat mich sehr enttäuscht: weder Architektur, Museographie oder Präsentation ist neu oder gar innovativ. Es bietet kein Aha-Erlebnis, wie damals die Grande Galerie d'Évolution des naturhistorischen Muséum oder wie die Präsentation des Musée d'Orsay. Es wird sich dennoch durchsetzen, aber nicht, weil es richtig gut ist, sondern weil damit Prestige verbunden ist. Mein erster Eindruck (weitere werden noch folgen):
Den Besucher empfängt, wenn er den wirklich interessanten Garten durchquert hat und die üblichen Hürden (einmal anstehen für die Tickets, einmal für die Sicherheitskontrolle, einmal für den Einlass), überwunden hat, ein sehr dunkel gehaltenes Foyer. Dann begibt man sich auf eine Rampe, die auf einem geschwungenen Weg hinauf in die Ausstellung führt. Eigentlich handelt es sich eher um einen Tunnel mit einer sehr niedrigen Decke. Ab und zu werden kurze Sätze in Leuchtschrift eingeblendet, mal sieht man einen Film oder Dias. Sonst passiert nichts. Auch der Audio-Guide, (der 5 Euro kostet) gibt nur eine knappe Einführung her. Dennoch baut die Rampe eine Erwartungshaltung auf, die dann leider nicht erfüllt wird: Man strandet auf einer Art Kreuzung und weiß nicht genau, wo man hin soll. Es ist schummrig, es gibt keinen Eye-Catcher. Also schaue ich mir erst die androgyne Figur an, die da etwas verloren steht. Zwar hatte das Museum aufgrund des Protestes Objektbeschriftungen angebracht, genützt hat es jedoch nicht viel, haben die Schilder doch eine viel zu kleine Schrift und es ist viel zu dunkel, um sie überhaupt lesen zu können. Überhaupt wird es einem schwer gemacht, Objekte anzusehen: so stehen viele Objekte frei vor der Glasfassade. Zum Schutz wurde auf die Fassade eine perforierte Folie geklebt. Vor der Fassade sind allerdings ebenfalls, anders perforierte Jalousien angebracht. Es entsteht also eine Art psychadelischer Effekt, so dass man die Objekte vor lauter Augenflimmern gar nicht richtig ansehen kann. Dazu ist es schwierig, überhaupt den Weg zu finden durch den mit Vitrinen vollgestellten Ausstellungsraum; die Besucherführung ist gleich null. Ich weiß nicht, wo ich mich befinde und habe keinen Überblick, was mich erwartet. Es sind diese Sachen, die mich ärgern und die mir zeigen, dass da wenig an den Museumsbesucher gedacht wurde. Auch die Museographie halte ich für überdenkenswert - wie ich das meine, werde ich noch in anderen Posts zur Diskussion stellen.Auf ihn wirke das Museum, so ein französischer Freund und unvoreingenommener Biologe, wie ein luxuriöser Duty-Free-Shop. Nach meinem Besuch muss ich ihm Recht geben: ich habe noch nie so viele Menschen in einem Museum gelangweilt um Vitrinen wandeln, telefonieren und Zeitung lesen sehen noch habe ich so viele Unterhaltungen über Erziehungsprobleme oder geschäftliche Angelegenheiten mitangehört. Das Museum bietet dazu wirklich die ideale, dekorative Kulisse. Allerdings erinnert mich alles eher an eine Shopping Mall der Mittelklasse: im Juni 2006 eröffnet, zeigt die Ausstellung jetzt schon einige Gesprauchsspuren. So ist der Bodenbelag teilweise zerstört und elektrische Kabel ragen ungeschützt in den Raum hinein.

Das MQB im Museumsblog wurde hier, hier und hier besprochen.

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6.2.07

Was macht eigentlich Jacques Hainard?

Man kennt ihn von internationalen Museumstagungen: Immer wenn es langweilig zu werden drohte, kam der französischsprachige Schweizer und provozierte mit einer Äußerung, die alle wieder aufweckte. Er hat zahlreiche Ausstellungen gemacht, als er Leiter des Musée d'Ethnographie Neuchâtel, die weltweit Aufsehen erregten. Das waren nicht nur Ausstellungen, sondern intellektuelle Experimente wie "Der Unterschied" oder "Das kannibalische Museum".
Die Devise des MEN lautet:
"Ausstellen heisst die Harmonie trüben.
Ausstellen heisst den Besucher in seiner intellektuellen Behaglichkeit stören.
Ausstellen heisst Gefühle hervorrufen, Wut und das Verlangen noch mehr zu wissen.
Ausstellen heisst einen spezifischen Diskurs über ein Museum führen, bestehend aus Gegenständen, Texten und Darstellungen.
Ausstellen heisst Gegenstände in den Dienst einer theoretischen Betrachtung, eines Diskurses oder einer Geschichte stellen und nicht umgekehrt.
Ausstellen heisst das Wesentliche durch kritische Distanz nahelegen, gefärbt von Humor, Ironie und Spott.
Ausstellen heisst gegen angenommene Ideen kämpfen, die Stereotypen und die Dummheit.
Ausstellen heisst gemeinsam eine Erfahrung intensiv leben."
Man kann sich nur wünschen, dass dies in mehr Museen dies beherzigt würde! Schon seit einem knappen Jahr hat Hainard seinem Kollegen Marc-Olivier Gonseth das Feld überlassen, und leitet nun die Geschicke des Musée d'Ethnographie Genf. Dies soll von Grund auf neu konzipiert und renoviert werden, eine spannende Angelegenheit, für die Hainard in seinem Mot du Directeur viel Engagement und vor allem viel Liebe fordert. Ich zweifle nicht daran, dass er diese finden bzw. auch bei den Genfern entzünden wird.

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5.2.07

Sieger in allen Kategorien



Das Musée des arts décoratifs in Paris präsentiert sich seit September 2006 mit neuem Konzept und neuer Gestaltung. Das Ergebnis ist mehr als gelungen. Hier haben sich offensichtlich Menschen, die ihre Arbeit lieben, mit der Sammlung intenisv auseinandergesetzt, sie haben sich nicht von Gestaltern reinreden lassen, sondern mit ihnen zusammengearbeitet und viele schöne Ideen umgesetzt, von denen man gar nicht genug bekommen kann. Der chronologische Rundgang beginnt im Mittelalter und reicht bis in die Gegenwart, und führt durch das ganze Gebäude (einem Seitenflügel des Louvre). Das Kunsthandwerk wird so interessant und abwechslungsreich präsentiert, es ist hell und freundlich, die Texte sind angenehm zu lesen. Schön sind die 10 auf allen Epochen verteilten "Period rooms" (usprünglich eine deutsche Erfindung von Herrn Bode), die einen Eindruck ganzer Ensembles wiedergeben. Der Audioguide, der gratis in vier Sprachen zur Verfügung gestellt wird, stellt Objekte und Sammlung in einen größeren Kontext. Gut gefallen hat mir auch die thematische Ausstellungen in der Galerie d'études: Hier geht es um die beiden zentralen Themen Essen und Ausruhen. Die beiden Themen werden mit zahlreichen Objekten durchdekliniert. Dazu gibt es ein Heft, in dem ein Glossar Wörter und Ausdrücke zu beiden Themen kombiniert und erklärt. Ich bin restlos begeistert von dieser Präsentation: Der Museumsbesuch ist ein einziger Genuß, nicht, weil es sich nur um "schöne" Objekte handelt, sondern weil alles stimmig ist.