29.10.09

Kluger Spass im Museum

Helvetia Park heisst die Ausstellung, die zur Zeit im Musée d'Ethnographie in Neuchâtel zu sehen ist. Zu sehen ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck, denn die Ausstellung ist im schönsten Sinne des Wortes interaktiv. Bei der Kasse erhält die Besucherin einen kleinen Stapel Münzen, die sinnigerweise Heidi heissen. Mit den Heidis ausgerüstet, begibt man sich in die Museumsräume und sieht sich als erstes einer Schießbude, einem Karussell und einem Autoscooter (ich kenne das unter dem Namen Boxauto) gegenüber. Helvetia Park ist eigentlich ein Jahrmarkt, mit Karussel, Geisterbahn und Wahrsagerin - aber um sich alles genau ansehen zu können, muss man Geld investieren - schon einmal eine erste Erkenntnis.


Es wäre aber nicht das Musée d'Ethnographie, das uns schon so lange und immer wieder mit außergwöhnlich innovativen Ausstellungen beglückt, sich mit einer massgetreuen Umsetzung eines Jahrmarktes im Museum zufrieden geben würde. Nein, die 11 Stände oder Module dienen natürlich als Metaphern und das bekommt man schnell mit.
Es geht in der Ausstellung um das Verständnis von Kultur in der Schweiz in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, darum, wie Kultur funktioniert bzw. nicht funktioniert, um die Verflechtungen von Geld und Kultur, um Verständnis und um Mißverständnisse, um die Beziehung zwischen der sogenannten low und high culture.

Die Stände funktionieren nur auf den ersten Blick ähnlich wie auf dem Jahrmarkt - im Prinzip. Zum Beispiel der Autoscooter: dort möchte man natürlich sofort anfangen, die so hübsch gestylten Autos zu steuern - die kleinen Autos bewegen sich aber nicht so, wie man möchte, auch wenn man am Rand noch so sehr am Rad dreht. Sie drehen sich statt dessen nur autistisch um sich selbst oder in eine bestimmte Richtung. Culture Crash heisst hier das Schlagwort. Dazu möchte ich aus der Presseerklärung des Museums zitieren:
"Als Metapher der ganzen Ausstellung, die für eine dynamische und ständig neu entwickelte Konzeption der verschiedenen interagierenden Felder plädiert, spielt dieser Sektor mit einem Schema des Anthropologen James Clifford, das ganz bestimmte «Auffahrkollisionen», insbesondere zwischen den Welten der Kunst, der Folklore und der Ethnographie, bezeichnet. Aufgrund seines Designs und seiner Fahrweise verkörpert jedes Fahrzeug eine Facette dieses in ständiger Bewegung befindlichen Universums: das Modell «Folklore» ist langsam und schwerfällig, lässt sich aber nicht so leicht von seinem Kurs abbringen, das Modell «Gegenwartskunst» reagiert auf eine Vierteldrehung, ist aber stossempfindlicher, und das Modell «Ethno» bewegt sich ausschliesslich am Pistenrand."

Nach diesem Prinzip sind die anderen Stände aufgebaut: der Ballwurfstand wird zum Battleground; mit Bällen kann man auf Sündenböcke zielen. Im Karussel fährt man eine Eternal Tour - und begegnet den mehr oder weniger traditionellen Festen in der Schweiz bzw. den Invention of Traditions.



Der Schießstand heisst hier Telldorado - es geht um die feinen Unterschiede und um Geschmack, herunter dekliniert anhand von den immer gleichen Gegenständen, die aber, genauer hingeschaut, doch sehr große Unterschiede aufweisen.





Im Abnormitätenkabinett trifft man in erster Linie auf merkwürdige Museumsobjekte; der Bogen spannt sich von einem Fetisch aus der Elfenbeinküste bis hin zum Hundespielzeug aus der Schweiz.
Wenn man schließlich noch bei der Wahrsagerin vorbeigeschaut hat, bei Madame Helvetia, die einen mit dem sogenannten Expertenwissen aller Couleur überhäuft, möchte man am liebsten nochmals eine Runde drehen - wenn das Heidi money nicht schon alle wäre.

Eine kluge Ausstellung, die aber nicht moralisch wird, sondern immer mit einem Augenzwinkern agiert. Eine Ausstellung, die wirklich Spaß macht, die einen teilweise Überwindung kostet - die Geisterbahn mochte ich noch nie, und auch diese hier hat es in sich. Eine Ausstellung, die mit der Entdeckerfreude der Besucherin spielt und die Erwartungen einfach hinterläuft - die aber immer etwas mit auf den Weg gibt. Eine Ausstellung, die man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen sollte!

An Gelegenheiten wird es nicht mangeln: Helevtia-Park ist als dreisprachige Wanderausstellung konzipiert: Bis Mitte Mai ist sie in Neuchâtel zu sehen, danach geht die Ausstellung in der Schweiz auf die Tour. Nächster Ausstellungsort ist dann ab 18. Juni 2010 das Völkerkundemuseum in St. Gallen.

Die Ausstellung entstand im Rahmen des Programms Ménage - culture et politique à table" der Schweizer Stiftung Pro Helvetia - auch diese Seite lohnt sich anzuschauen - einfach sehr gut und unterhaltsam gemacht. Hier kann man sich auch Presseunterlagen zur Ausstellung herunterladen.

Die schönen Fotos in diesem Beitrag stammen vom Museum.
Einen Ausstellungskatalog gibt es noch nicht, dafür das Heft aus der Reihe Texpo, das einen mit schönen Texten und Bildern auch noch zu Hause erfreut.

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27.10.09

Alles über Sonnemann

Die Eröffnung der Woche: die Ausstellung
Frankfurts demokratische Moderne und Leopold Sonnemann
Jude - Verleger - Politiker - Mäzen
im historischem museum frankfurt, am 28. Oktober um 18 Uhr.

Der Titel der Ausstellung klingt zwar etwas dröge - doch der Inhalt mutet spannend an: es geht um Leopold Sonnemann (1831-1909), Bürger der Stadt, der Großartiges (nicht nur) für Frankfurt geleistet hat. Immerhin hat die Stadt eine Allee nach ihm benannt. Liest man den Ausstellungsankündigung, so wird klar, dass er sehr viel mehr Denkmäler verdient hätte.

Sonnemann war Begründer der Frankfurter Zeitung, wirkte als Kaufmann, Bankier, Verleger und Politiker. Er zog eigentlich an allen Fäden in der Stadt, ob beim Städel-Verein (den er gegründet hat), beim sozialen Wohnungsbau oder bei Bauprojekten wie Palmengarten oder Alte Oper. Er setzte sich für Pressefreiheit ein, für Arbeitslosenversicherung - für einen demokratischen Staat. Kein Wunder, dass die Nazis die Erinnerung an einen solchen mutigen Mann, noch dazu jüdischen Glaubens, unterbanden: 1943 wurde die noch existierende Frankfurter Zeitung verboten, der Nachlass und damit auch die Erinnerung an ihn zerstört.
Nun erinnert an seinem 100. Todestag die Ausstellung an die Verdienste Sonnemanns - und wartet bestimmt noch mit dem einen oder anderen überraschenden Blick auf Frankfurts Geschichte auf.

Die Ausstellung entstand in einer Kooperation zwischen dem historischen museum frankfurt und dem Jüdischem Museum Frankfurt und ist bis Ende Februar kommenden Jahres zu sehen.


Zum Lesen: Ein Bericht in der Frankfurter Neuen Presse und ein Feature vom Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt.

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23.10.09

Aus dem Monte Verità soll der Monte Visione werden

Monte Verità - das ist jetzt schon über ein Jahrhundert das Synonym für einen mythischen Ort, auf einem Berg oberhalb von Ascona in der Schweiz, am Lago Maggiore. Dort hinzufahren und eine Weile zu bleiben, war in bestimmten Schichten ein regelrechtes Muss.

Auf dem Gelände sind sie heute noch zu sehen, die Spuren, die die verschiedenen Mythen-MacherInnen hinterlassen haben: Zunächst die LebensreformerInnen um Ida Hoffmann und Henri Oedenkoven, Karl und Gusto Gräser, die um 1900 auf dem Berg eine Kolonie gründen, zunächst sogenannte Laub- und Lufthütten bauen. Bis 1920 harren die GründerInnen aus, bauten weitere Gebäude und eine Naturheilanstalt und zogen viele weitere AnhängerInnen der Naturheilbewegung nach, SchriftstellerInnen, Künstlerinnen, kurz Aussteiger und Aussteigerinnen aus dem bürgerlichen Leben. 1920 geht diese Phase zu Ende, die Anlage zerfällt. Dann wollten KünstlerInnen um Werner Ackermann das Gelände gestalten, was aber nur kurze Zeit gelingt.



1926 tritt der Wuppertaler Bankier und Mäzen Baron Eduard von der Heydt auf den Plan: er lässt von dem bekannten Architekten Emil Fahrenkamp ein Hotel bauen. Mit von der Heydt zieht der internationale Jet Set der gehobeneren Kreise ein - im Grunde wurde der Berg gentrifiziert. Nicht nur die Reichen und Mondänen kamen, sondern etwa auch die Kunstinteressierte wie der französische Museologe Georges Henri Rivière, der 1933 im Hotel weilte und begeistert von den vielen Kunstwerken zeitgenössicher Künstler berichtete. 1934 wird das Hotel geschlossen, der Zweite Weltkrieg verhindert weiteres. Nach dem Tod von von der Heydt geht das Terrain an den Kanton Tessin. Seit 1989 veranstaltet die ETH Zürich im Hotel Kongresse.



1978 wird der Berg wieder entdeckt - vom Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann. Mit der Ausstellung "Mammelle delle verità", die auch an verschiedenen Orten in der Schweiz und in Deutschland gezeigt wurde, bringt er wieder Schwung in die Mythenmaschinerie. Die Ausstellung war dann fest in der Casa Anatta auf dem Monte Veritá beheimatet. Nun ist sie bis voraussichtlich 2012 geschlossen. Die Stiftung Monte Verità plant zusammen mit dem Kantonalamt für Denkmalschutz ein großes Restaurierungs- und Umgestaltungsprojekt für Museum und Gelände. Schon umgesetzt wurden verschiedene Installationen. Ebenso gibt es ein japanischen Teehaus, in dem Teezeremonien angeboten werden. In einer Lichthütte aus der anfangszeit stellt die Stiftung die bisherige Geschichte kurz vor und lädt die BesucherInnen dazu ein, eigene Ideen für die künftige Gestaltung und Nutzung des Parks und des Museums zu benennen damit aus dem Berg der Wahrheit der Berg der Visionen werden kann.

Noch zwei Literaturtipps (weitere sind auf wikipedia zu finden). Unverzichtbar ist das Katalogbuch zur Ausstellung von Harald Szeemann: Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie. Agentur für geistige Gastarbeit, Harald Szeemann, Civitanova Marche und Tegna, und Electa Editrice, Milano 1978. Hier kann man einen Artikel von Erich Mühsam über seine Zeit auf dem Monte Verità lesen.
Wer deftige Anekdoten möchte und ausführliche Erzählungen über den Alltag, der sollte das Buch von Robert Landmann lesen: Ascona - Monte Verità. Die Geschichte eines Berges, Ascona Pancaldi Verlag 1930. 2000 neu herausgegeben im Schweizer Verlag Huber Frauenfeld . Hinter Landmann verbirgt sich übrigens der Künstler Werner Ackermann.

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19.10.09

Fundstück




Vor Jahren einmal im Musée national d'art moderne im Centre Pompidou in Paris gesehen, fotografiert und in der Fotokiste wiedergefunden.

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12.10.09

Figurinen XIII

Kleines Waldmuseum steht an der offenen Hütte geschrieben und wer eintritt, kann ein Sammelsurium von Gerätschaften, Bildern und Holzstücken bestaunen, das die Bedeutung des Holzes für die kleine Gemeinde Storsjö wiedergibt. In der Ecke sitzt eine Figurine - mit einem geschnitzten Holzkopf natürlich. Ein wirklich kurzweiliger Museumsbesuch!


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