13.2.08

Der Maorischädel und die Unveräußerlichkeit der Museumskollektionen

Der Beschluss der Stadt Rouen, einen tätowierten Schädel an die Maori von Neuseeland zurückzuerstatten, hat zwei grundsätzliche Fragen aufgeworfen: erstens, sind menschliche Überreste als Teile einer Sammlung anzusehen oder unterstehen sie anderen, bioethischen, Bestimmungen und zweitens, können Objekte einer Museumssammlung veräußert werden. Lassen wir den ersten Punkt hier außer Acht und wenden wir uns dem zweiten zu, so könnte man die Frage noch erweitern: ist eine Zurückerstattung einer Veräußerung (sprich: Verkauf) gleichzusetzen? Deutschland, Österreich und andere Länder haben bewiesen, dass Museumsobjekte durchaus zurückerstattet werden können, von Klimt Bildern bis zu Zillertaler Schränken…
Wie dem auch sei, die „Affäre“ des Maorischädels hat zu heftigen Diskussionen über die Unveräußerlichkeit von Museumsobjekten beigetragen. Das so genannte Gesetz „Taska“ (Gesetze tragen in Frankreich den Namen dessen der sie einbringt, in diesem Fall den der damaligen Kulturministerin Catherine Taska) hat 2002 diese Unveräußerlichkeit bestätigt, jedoch die Möglichkeit eingeräumt, Objekte zu deklassieren, d.h. einen eventuellen Verkauf zu ermöglichen wobei allerdings vorher die Zustimmung einer Expertenkommission erforderlich ist. In den sechs Jahren seit der Verabschiedung des Gesetzes ist allerdings noch kein einziges Objekt deklassiert, ja nicht einmal dazu vorgeschlagen worden…
Ein weiterer Fall hat Öl ins Feuer gegossen: Eine „Flucht nach Ägypten“ von Nicolas Poussin ist für 15 Millionen € auf dem Markt. Das Werk wurde in extremis für 30 Monate mit einer Ausfuhrsperre belegt um dem Pariser Louvre und dem Museum der Schönen Künste von Lyon zu ermöglichen, diese Summe zusammenzukratzen. Wiederum erhoben sich Stimmen, die verlangten, die übervollen Reserven durchzumustern um eine dynamischere Sammlungspolitik sicherzustellen. Neben dem steigenden Bedarf an Eigenfinanzierung der Museen sind die hohen Archivierungskosten eines der Argumente der Befürworter eines freieren Umgangs mit Museumsobjekten, wobei besonders auf die Depots der Museen für zeitgenössische Kunst sowie jene der Gesellschaftsmuseen hingewiesen wird.Im Oktober 2007 erfolgte ein neuer Gesetzesvorschlag der eine reelle Verwaltungsfreiheit der Kulturinstitutionen verlangt. Er schlägt vor, Sammlungsobjekte in zwei Kategorien einzuteilen, „nationale Schätze“ (trésors nationaux) und „Werke mit freier Verwendung“ (oeuvres libres d’utilisation). Erstere sind von jeder Veräußerung ausgeschlossen und unterliegen strikten Regelungen, die anderen können aus den Sammlungen im Bedarfsfall ausgeschieden werden und zur Finanzierung der Museen, ihrer Aktivitäten oder zum Erwerb einer Ergänzung des Sammlungsbestandes beitragen.
ICOM-France hat in einer Stellungsnahme diesen Vorschlag scharf zurückgewiesen: ohne Depots kein Museum, nicht ausgestellte Stücke sind wertvolle Studien- und Forschungsobjekte und werden für Sonderausstellungen herangezogen sind einige ihrer Argumente. Trotz dieses Widerstandes gegen den Gesetzesentwurf, werden jedoch eine dynamischere Sammlungspolitik gewünscht und Bedenken gegen ein mechanisches Ansammeln geäußert. ICOM-France schlägt in seinem Communiqué eine strengere Auswahl beim Ankauf neuer Objekte und mehr Absprache zwischen den einzelnen Museen vor. Darüber hinaus wird die Einrichtung von vorläufigen Sammlungen, vor allem im Bereich der Gegenwartskunst, angeregt, d.h. eine Frist bevor die Werke endgültig in die Museumssammlung eingeschrieben werden. ICOM-France setzt sich auch für die Anwendung des „loi tasca“ ein, d.h. die Möglichkeit zur Deklassierung von Objekten in Abstimmung mit einem Expertengremium.Eine von der gegenwärtigen Kulturministerin Catherine Albanel beauftragte Kommission unter der Leitung von Jacques Rigaud ist in ihrem Bericht zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. Rigaud bedauert, dass die Deklassierungskommission noch nie herangezogen wurde und daher auch keine Evaluierung eines solchen Vorganges vorliegt. Er verlangt ebenfalls eine bessere Konzertierung zwischen den einzelnen Museen was ihre Sammlungspolitik betrifft und eine bessere und transparentere Verwaltung der Depots. Eine Gefahr sieht Rigaud auch im Signal das Mäzenen und Stiftern gegeben würde: gerade sie überlassen ihre Sammlungen den Museen um sie einem rein kommerziellen Umgang zu entziehen. Das vorhandene Gesetz wird als ausreichend angesehen und statt neuer Entwürfe sollten liebe die vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Und der Maorischädel? Der Verwaltungsgerichtshof von Rouen hat den Beschluss der Gemeindeverwaltung den Schädel zurückzuerstatten aufgehoben. Neuseeland das seit 1980 die Rückgabe aller menschlichen Überreste die sich in den Museen befinden fordert, wird weiterhin darauf warten müssen, diese Reste eines gefallenen Kriegers würdig zu beerdigen.
Quellen: Le Monde; L’Humanité, ICOM France; Culturevirale

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