Ich gebe zu, dass ich nie eine große Freundin des
Ecomusée Ungersheim im Elsaß war. Bei meinen Besuchen in den 1990er Jahren präsentierte sich mir das Freilichtmuseum im Dreiländereck im Elsaß als Ort der Verklärung, mit einem nach meiner Beobachtung zu starken Akzent auf Kommerzialisierung und Vermarktung des Elsässischen. Dennoch, das 1984 gegründete Museum ist in der Region sehr beliebt und gut besucht (um die 280.000 Besucher pro Jahr), findet Anerkennung in nationalen und europäischen Gremien, ist etwa Gründungsmitglied der Vereinigung der Ecomusees und der Musée de sociétés
FEMS.
Nun ist das Museum in die Krise geraten und die Gründe erscheinen mir unschön.
Die Geschichte, die nur schwer zu rekonstruieren ist, geht ungefähr so:
Um mehr Touristen aus Straßburg und Colmar abzugreifen und um etwas Neues für die von Arbeitslosigkeit geschüttelte Region zu tun, forciert der Generalrat der Region das Projekt eines Bio-Freizeitparkes. Auf diese Weise sollen neue Arbeitsplätze entstehen.Eine direkte Konkurrenz zum Museum kommt dadurch zustande, als der Biopark in unmittelbarer Nähe des Freilichtmuseums in der Gemeinde Ungersheim aufgebaut wird, zynischerweise auf dem Gelände eines Biotops. 2004 beginnt der Aufbau des Freizeitparkes, im Juni 2006 wird das
Bioscope eröffnet und in der Region gemischt
aufgenommen. Dass das Bioscope nicht so erfolgreich ist, wie die Politik es versprochen hatte, kann man schon daran merken, dass die Eintrittspreise im Vergleich zum letzten Jahr erheblich gefallen sind.
Es zeichnet sich ab, dass die Kosten für das Bisocope im Ecomusée eingespart werden sollen. Das Museum, das seine Kosten als eigenständiger Verein um größten Teil selbst erwirtschaftet und im Vergleich zu anderen Kulturinstitutionen geringe Subventionen erhält, strebt seit Jahren an, regelmäßig öffentliche Gelder zu bekommen. Angestrebt sind 20 % des jährlichen Budgets. 2005 fehlt Geld, das weder der Generalrat in Colmar noch der Regionalrat in Straßburg
gewähren möchte; beide reagieren nicht auf Anfragen des Museums. Ende 2005 wird die Situation bedenklich; die Betriebskosten sind in Frage gestellt. Das Museum beginnt mit phantasievolllen Aktionen in der Öffentlichkeit zu treten, um auf die prekäre Lage aufmerksam
zu machen. Offensichtlich wird das Geld woanders gebraucht: die Region trägt den Freizeitpark zu 49% - das sind rund 60 Millionen Euro (den Rest übernimmt die Betreibergesellschaft).
Das Museum gerät in eine Zwangslage und kann Gehälter nicht mehr zahlen. Der Gründungsdirektor
Marc Grodwohl wird der finanziellen Mißwirtschaft beschuldigt und versucht sich dagegen mit Gegengutachten zu wehren. Im März 2006 wendet sich die Museumsleitung an das zuständige Handelsgericht in Colmar, um den Vorwurf gerichtlich klären zu lassen und um einen drohenden Konkurs abzuwenden. Gegen die Schließung
protestieren viele Bürger, die Grünen, MuseumskollegInnen und viele WissenschaftlerInnen wie der Ethnologe Isac Chiva. Im September 2006 tritt Marc Grodwohl zurück, ebenso wie der Präsident der Vereinigung des Ecomusée, François Capber. Es werden über 60 Personen entlassen. Lange Zeit ist es ungewiss, ob das Museum 2007 überhaupt öffnen kann.
Schaut man nun die Homepage des Museums an, scheint alles wie gehabt weiterzulaufen. Stutzig macht mich nur, dass in der Rubrik "Programme" nichts mehr zu finden ist - obwohl es genau die Vorführungen aller Art waren, die die BesucherInnnen so begeistert haben.
Bisocope und Ecomusée machen nun gemeinsame Sache und gewähren sich gegenseitigen Rabatt beim Eintritt.
Werbefilm über das Ecomusée (Sprache: schweizerdeutsch) von 2006.
Über das Ecomusée in Le Monde
hier und
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