26.8.09

Es darf gelacht werden

Linz in Oberösterreich, einst vor allem für seine Stahl- und Chemieindustrie bekannt (berüchtigt) ist heuer europäische Kulturhauptstadt. Gelegenheit also, mit dieser von Touristen bisher eher links liegen gelassenen Stadt Bekanntschaft zu schliessen.
Die frühere übel riechenden Abgaswolken aus den Fabriksschloten sind ja bereits seit längerem von der "Klangwolke" abgelöst worden und der niedergehenden Schwerindustrie hat die Stadt mit zukunftsträchtigen Techniken und Hinwendung zum zeitgenössischen Design gekontert. Die "ars electronica" wurde zu einem internationalen Begriff.
Im Umfeld des Kulturhaupstadtjahres wurde nicht nur viel restauriert (barocke Innenstadt) und neu gebaut (Lentos Museum, ars electronica Zentrum, neuer Ausstellungsflügel im Schloss...) sondern ein reichhaltiges Programm möchte neue Besucher für die Stadt gewinnen aber auch den Einheimischen einen neuen Blick auf ihre Umgebung und ihre Geschichte bieten (dies auch durchaus kritisch mit Inschriften am Strassenpflaster die an Ereignisse der Nazizeit erinnern die eben an diesem Ort stattgefunden haben).
Das offene Kulturhaus, OK, hat drei Kunstrundgänge organisiert. Für "Schaurausch" stellten Geschäfte ihre Vitrinen Künstlern zur Verfügung, in "Tiefenrausch" wurden die Besucher durch Keller, Trinkwasserreservoirs, Krypten und Tunnels ins unterirdische Linz geführt während man im "Höhenrausch" auf den Dächern wandelt. Über hölzerne Stege, Treppen und Wege gelangt man vom Kunsthaus hinauf in luftige Höhen. Kunstwerke (Installationen, Videos, Graphik, Skulpturen etc.) begleiten den Besucher, der sich auch von Zeit zu Zeit in einem Liegestuhl vor einer Kinoleinwand ausruhen ("Respect the Dead" von Pierre Bismuth), eine Tour im Riesenrad von Maider Lopez machen oder sich über chinesische Heilkunde ("Paradiesgarten" von Mali Wu) informieren kann. Der österreichische Künstler Werner Pfeffer stellt mit "Stadtmensch" eine Verbindung zwischen Besuchern und "normalen" Linzern her: man wird etwa aufgefordert seinen Geruchssinn zu mobilisieren um die Düfte aus der Backstube eines Linzertortenbäckers zu erschnuppern, seine Ohren zu schärfen um dem Domorgelspieler zu lauschen, die verschiedenen Glocken der Linzer Kirchen zu erkennen oder die Geräusche der Strassenbahn im Verkehrslärm auszumachen...
Ein köstlich absurdes Video von Erwin Wurm zeigt ein Paar in einem Auto das über die Möglichkeit als I-Pod wiedergeboren zu werden, die Menschlichkeit der Banane und grossmütterliche Zehen philosophiert und, als wäre es das normalste der Welt, dabei eine Hauswand hinauffährt. Der Russe Leonid Tishkov filmt sich beim Skifahren auf dem Dach seines Moskauer Wohnhauses oder bei seinen Gesprächen mit dem Himmel, der Amerikaner Paul DeMarinis verwandelt banale Regenschirme in Resonanzkörper aus denen Wassertropfen bekannte Melodien erklingen lassen, während der Schweizer Roman Singer "Kunst mit Knallkörpern" herstellt. Gegenwartskunst kann durchaus amüsant, unterhaltsam und lustig sein, poetisch und intelligent und für "Normalbürger" jeden Alters zugänglich. Der grosse Besucherandrang bei "Höhenrausch" bestätigt dies!

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