24.7.09

Indien in Boulogne-Bilancourt

Interessant, angenehm und abwechslungsreich: das Musée Albert-Kahn in Boulogne-Bilancourt bei Paris. Zur Erinnerung: Albert Kahn (1860-1940) war Bankier, aber vor allem Humanist, der die ganze Welt in seinem Projekt "Archiv des Planeten" vereinen wollte. Dafür engagierte er Fotografen und Kameraleute, die die Welt bereisten und so viel Foto- und Filmmaterial mitbrachten, das noch heute ausgewertet wird. Der Museumsblog hat hier anlässlich einer BBC-Sendereihe auf Arte berichtet, hier ist das Buch dazu.
Ende des 19. Jahrhundert erwarb Kahn das Gelände in Boulogne, um sich eine Villa zu bauen, vor allem aber, um Gärten anlegen zu lassen, die eine Reise um die Welt erlaubten. Die Gartenanlagen sind bis heute zu besichtigen. Neu hinzugekommen ist das schlichte und funktionale Museumsgebäude, das interessanterweise vom Garten aus gar nicht zu sehen ist.


Das Museum hat sich zur Aufgabe gemacht, jedes Jahr einen Teil der über 72.000 Farbfotografien des Bestandes zu bearbeiten. Dieses Jahr widmet sich die Ausstellung Indien - Infiniment Indes so ihr Titel. Gleich von Anfang an wird die Besucherin in ein stimmungsvolles Ambiente versetzt: Selten habe ich eine Foto-Ausstellung gesehen, die soviel Sorgfalt im Umgang mit den Objekten zeigt und die zugleich so kreativ und liebevoll inszeniert ist.

Die Ausstellung ist auf zwei Ebenen angelegt: zum einen geht es darum, ein Teil des Archivs des Planeten vorzustellen. Zum anderen sollen verschiedene Regionen, Architektur, Alltagsszenen und Persönlichkeiten Indiens im frühen 20. Jahrhundert gezeigt werden.

Zwei Fotografen waren für Kahn's Projekt in Indien unterwegs: zwischen 1913 und 1914 war es Stéphane Passet und 1927-1928 Roger Dumas. Zusammen erstellten sie über 1 200 Autochrome und brachten über zwei Stunden Filmmaterial mit. Mit einigen Filmausschnitten und mit rund 150 Fotografien ist nur ein Bruchteil der mitgebrachten Aufnahmen in der Ausstellung zu sehen - aber sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt. Dem Thema angepasst sind die indischen Dekors, die Raumtexte und Objektbeschriftungen, die Sitzmöbel und die leise Musik, die im Hintergrund läuft - alles aber so dosiert, dass es sehr gut verdaulich ist.

Am Anfang der Ausstellung wird erklärt, weshalb man die Autochrome - also Glasplatten - nicht als Original zeigen kann. Natürlich spielen hier konservatorische Gründe eine Rolle, aber auch ästhetische, sind die Platten doch sehr klein. Auch noch der zeitgenössische Abzug lässt die Betrachterin in den Genuß der einzigartigen Farbnuancen kommen, die den autochromen Aufnahmen zu eigen ist. Jeder Abzug ist mit einer kurzen Objektbeschriftung versehen. Wer möchte, kann im ausliegenden Begleitheft noch mehr lesen - auf französisch und auf englisch.

Die Vergrößerungen sind schlicht und reizvoll in Szene gesetzt: der vergrößerte Rahmen der Platte ist zugleich auch der Rahmen der Vergrößerung. Nur im Prolog sind Originale zu sehen - die illustren Gäste aus Indien, die Albert Kahn in Boulogne empfing - wie den bengalischen Dichter und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore.
Die Fotografien sind thematisch geordnet, beschäftigen sich mit Themen wie Wasser, Architektur oder Straßenszenen und sind in Nischen gehängt. Man hat genug Raum, sich alles in Ruhe anzuschauen, zu lesen und sich auf die fremden Welten einzulassen. Obwohl die Bilder inszeniert sind, haben sie etwas von zeitlosen Momentaufnahmen.

Der zweite Teil der Ausstellung ist dem Maharaja Jagatjit Singh von Kapurthala gewidmet, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von französichen Architekten eine Art Versailles im Mini-Format im damaligen Fürstenstaat errichten ließ.


Die Ausstellung ist informativ und schön anzusehen zugleich - viel Atmosphäre, ohne kitschig oder nostalgisch zu wirken.

Aufgrund des Publikumerfolges - über 70.000 Besucherinnen - wurde die Ausstellung noch bis zum 30. August verlängert. Vielleicht hat auch der niedrige Eintrittspreis von 1,50€ die vielen Besucherinnen angezogen - kosten doch die Pariser Museen im Durchschnitt 8 € Eintritt.

Und ist man schon einmal dort, kann man sich dann auf die bereits digitaliserten Teile des Archis auf einem Monitor anschauen. Auch einige Archivkartons und Kameras sind ausgestellt.

Dann folgt der zweite Akt des Museumbesuchs - der Garten, besser die Gärten. Darüber wird die Tage hier berichtet.

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