Wenn sich Krokodile vor Monets Seerosen tummeln
Objekte außereuropäischer Länder haben Konjunktur. Das weiss man nicht erst seit der Eröffnung des Musée du quai Branly 2006 in Paris. Solche Stücke wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts in den westlichen Metropolen als "Negerkunst" (Carl Einstein) oder als primitive Kunst gezeigt. Legendär war etwa 1984 die Ausstellung "Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts", kuratiert von William Rubin in New York, die die Verknüpfung zu europäischen Künstlern aufzeigen wollte.
Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel möchte mit Bildwelten Afrika, Ozeanien und die Moderne nun einen neuen Weg einschlagen: Werke aus Afrika und Ozeanien sollen mit Gemälden und Skulpturen aus der klassischen Moderne in einen Dialog treten, die Konfrontation wird gesucht. Werke, die sich seit Jahren in der Sammlung befinden, sollen ganz neu gesehen, ihre suggestive Kraft soll regelrecht erweckt werden. In der Pressemitteilung heißt es dazu:
Die beiden Kult-Krokodile aus Papua-Neuguinea liegen vor dem imposanten Seerosengemälde von Claude Monet. Schon der Auftakt im Foyer macht deutlich, was Kurator Oliver Wick mit der Ausstellung bezweckte: Es geht um die Gegensätze, um den Kontrast und um die Spannung, die die Gegenüberstellung solch konträrer Kunstwerke auslösen.
Die Konfrontationen oder Begegnungen mit dem Fokus auf der Darstellung der menschlichen Figur spielen sich in dreizehn Sälen ab. Mit einem kleinen Heft ausgestattet, das die Saaltexte beinhaltet, begibt sich die Ausstellungsbesucherin in die hell-grau gehaltenen Räume im wunderbaren Gebäude von Renzo Piano. Die präsentierten außereuropäische Stücke liefern die Raumtitel, die die BesucherInnen in verschiedene Kontinente führen. Die Stars sind hier nicht die Werke anerkannter westlicher Künstler, sondern die zuweilen unprätentiös wirkenden Stücke aus Afrika oder Ozeanien zumeist anonymer Herkunft. Allein oder in Werkgruppen, nach Herkunft inszeniert, entfalten sie eine Präsenz, der man sich nicht entziehen kann. Sie erinnern an eine der ersten Funktionen des Museums: an das Staunen. Im Raum mit den zahlreichen an der Wand arrangierten afrikanischen Masken etwa übersieht man darüber das Landschaftsbild von Vincent van Gogh. Das gilt auch für die mit Nägeln besetzten und allmöglichen Zierrat versehen Figuren aus dem Kongo-Gebiet, die sich mit Picasso und Braque einen Raum teilen oder für die bunten, federnbesetzten Stücke aus Hawai, die Federbildnisse von Kriegsgöttern nachempfinden, die die Bilder von Mark Rothko nochmals farbloser erscheinen lassen.
Die Räume sind in einer nicht erkennbaren Reihenfolge zu begehen - es geht jeweils um bestimmte Zuschnitte, wie Körper repräsentiert bzw. verstanden werden. Dennoch kann es kein Zufall sein, dass die relativ bekannten afrikanischen Masken den Anfang machen, während gewaltige Figuren aus Papua-Neuguinea den Abschluß bilden. Die Opulenz und Übermacht der außereuropäischen Objekte ist gewollt; damit möchte man nach Aussage der Ausstellungsmacher eine Umkehrung der Perspektive erreichen. Die gesuchten Konfrontationen sind aber manchmal gar keine: die Werke aus der Klassischen Moderne kennt man einfach zu gut - von Ausstellungsbesuchen, Plakaten oder aus Büchern. Sie bieten nicht immer die gewünschte Kontrastfolie, sondern verblassen gar.
Man fragt sich sogar zuweilen, weshalb die Gemälde und Skulpturen der klassischen Moderne hier dabei sind. Um darüber hinwegtäuschen, dass die außereuropäischen Objekte aufgrund ihrer offensichtlichen Extravaganz ausgewählt wurden? Als Folie für den Exotismus? Nicht nachzuvollziehen ist, dass bei den knappen Objekttexten bei den europäischen Werken immer das Material dabei steht (à la Öl auf Leinwand), während das bei den außereuropäischen Objekten allerdings nicht der Fall ist.
Immerhin bekommt man einen Hinweis, woher die Stücke stammen. So hängt neben einer Figur von den Marquesas der Hinweis, dass ein Kapitän der Artillerie der französischen Marine der Stadt Colmar dieses Stück geschenkt hatte. Gekauftes Souvenir? Diebesgut? Das fragt man sich bei einigen der Stücke, die alle aus westlichen, zumeist europäischen Sammlungen kommen. Seit Michel Leiris berühmt-berüchtigen Tagebuch "Phantom Afrika", das dieser während der Expedition Dakar-Dschibuti in den 1930er Jahren des Pariser Musée d'Ethnographie schrieb, ist offengelegt, dass nicht nur Militärs, sondern auch EthnologInnen manchmal auf räuberische Art und Weise an die Objekte kamen. Leider erfährt man darüber in der Ausstellung selbst nicht mehr.
Dennoch: man kann diese äußerst anregende, auch aufregende und sinnlich sehr berührende Schau nur empfehlen. Interessant ist auch das Heft mit den Texten, da hier die Bildwelten auf drei Arten durchdekliniert werden: Kult und Kontext / Kunst / Kommentar sind die Überschriften, die mehrgleisige Einblicke gestatten. Der Kommentar legt die Gedanken des Kurators Wick offen und gibt auf diese Weise Einblick in die Ausstellungsidee.
Ob es ein ganz neuer Weg ist, den die Ausstellung damit einschlägt, wird sich noch zeigen. Der theatralisch anmutenden Präsentation im oben schon erwähnten Musée du quai Branly wird damit auf alle Fälle etwas angenehm Unaufgeregtes, sehr Sinnliches, Nachdenkenwertes entgegengesetzt. Zeit, sich die Ausstellung anzusehen hat man noch bis zum 28. Juni.
Sehr beeindruckt hat auch der Katalog: Er besteht aus einer Broschüre und aus einem Schuber mit 17 Bildtafeln. So kann man sich die Krokodile auch ins heimische Wohnzimmer holen.
FONDATION BEYELER
Beyeler Museum AG, Baselstrasse 101, CH-4125 Riehen / Basel
Täglich 10 - 18 Uhr, mittwochs 10 - 20 Uhr
Die Ausstellung in den Medien:
ein Bericht über die Ausstellung mit o-Ton von Museumsstifter Beyeler auf dradio;
die taz hält "Monet als überflüssige Dreingabe" und die NZZ titelt ihren Artikel mit "Staunen vor dem Nageltisch".
Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel möchte mit Bildwelten Afrika, Ozeanien und die Moderne nun einen neuen Weg einschlagen: Werke aus Afrika und Ozeanien sollen mit Gemälden und Skulpturen aus der klassischen Moderne in einen Dialog treten, die Konfrontation wird gesucht. Werke, die sich seit Jahren in der Sammlung befinden, sollen ganz neu gesehen, ihre suggestive Kraft soll regelrecht erweckt werden. In der Pressemitteilung heißt es dazu:
"Zentrales kuratorisches Anliegen ist die Erfahrbarkeit künstlerischer Kraft und Bildmacht, die sich dem Betrachter vergegenwärtigt. In packender Weise verbinden sich unterschiedliche Repräsentationsformen und veranschaulichen dadurch, weshalb Menschen aller Kulturkreise, insbesondere Künstler und Sammler, immer wieder aufs Neue von der bildgewaltigen Kraft dieser Werke fasziniert sind."Viele der gezeigten Werke stammen aus der Sammlung der Fondation; über 150 Leihgaben kommen aus anderen Museen, vor allem aus dem Museum der Kulturen in Basel.
Die beiden Kult-Krokodile aus Papua-Neuguinea liegen vor dem imposanten Seerosengemälde von Claude Monet. Schon der Auftakt im Foyer macht deutlich, was Kurator Oliver Wick mit der Ausstellung bezweckte: Es geht um die Gegensätze, um den Kontrast und um die Spannung, die die Gegenüberstellung solch konträrer Kunstwerke auslösen.
Die Konfrontationen oder Begegnungen mit dem Fokus auf der Darstellung der menschlichen Figur spielen sich in dreizehn Sälen ab. Mit einem kleinen Heft ausgestattet, das die Saaltexte beinhaltet, begibt sich die Ausstellungsbesucherin in die hell-grau gehaltenen Räume im wunderbaren Gebäude von Renzo Piano. Die präsentierten außereuropäische Stücke liefern die Raumtitel, die die BesucherInnen in verschiedene Kontinente führen. Die Stars sind hier nicht die Werke anerkannter westlicher Künstler, sondern die zuweilen unprätentiös wirkenden Stücke aus Afrika oder Ozeanien zumeist anonymer Herkunft. Allein oder in Werkgruppen, nach Herkunft inszeniert, entfalten sie eine Präsenz, der man sich nicht entziehen kann. Sie erinnern an eine der ersten Funktionen des Museums: an das Staunen. Im Raum mit den zahlreichen an der Wand arrangierten afrikanischen Masken etwa übersieht man darüber das Landschaftsbild von Vincent van Gogh. Das gilt auch für die mit Nägeln besetzten und allmöglichen Zierrat versehen Figuren aus dem Kongo-Gebiet, die sich mit Picasso und Braque einen Raum teilen oder für die bunten, federnbesetzten Stücke aus Hawai, die Federbildnisse von Kriegsgöttern nachempfinden, die die Bilder von Mark Rothko nochmals farbloser erscheinen lassen.
Die Räume sind in einer nicht erkennbaren Reihenfolge zu begehen - es geht jeweils um bestimmte Zuschnitte, wie Körper repräsentiert bzw. verstanden werden. Dennoch kann es kein Zufall sein, dass die relativ bekannten afrikanischen Masken den Anfang machen, während gewaltige Figuren aus Papua-Neuguinea den Abschluß bilden. Die Opulenz und Übermacht der außereuropäischen Objekte ist gewollt; damit möchte man nach Aussage der Ausstellungsmacher eine Umkehrung der Perspektive erreichen. Die gesuchten Konfrontationen sind aber manchmal gar keine: die Werke aus der Klassischen Moderne kennt man einfach zu gut - von Ausstellungsbesuchen, Plakaten oder aus Büchern. Sie bieten nicht immer die gewünschte Kontrastfolie, sondern verblassen gar.
Man fragt sich sogar zuweilen, weshalb die Gemälde und Skulpturen der klassischen Moderne hier dabei sind. Um darüber hinwegtäuschen, dass die außereuropäischen Objekte aufgrund ihrer offensichtlichen Extravaganz ausgewählt wurden? Als Folie für den Exotismus? Nicht nachzuvollziehen ist, dass bei den knappen Objekttexten bei den europäischen Werken immer das Material dabei steht (à la Öl auf Leinwand), während das bei den außereuropäischen Objekten allerdings nicht der Fall ist.
Immerhin bekommt man einen Hinweis, woher die Stücke stammen. So hängt neben einer Figur von den Marquesas der Hinweis, dass ein Kapitän der Artillerie der französischen Marine der Stadt Colmar dieses Stück geschenkt hatte. Gekauftes Souvenir? Diebesgut? Das fragt man sich bei einigen der Stücke, die alle aus westlichen, zumeist europäischen Sammlungen kommen. Seit Michel Leiris berühmt-berüchtigen Tagebuch "Phantom Afrika", das dieser während der Expedition Dakar-Dschibuti in den 1930er Jahren des Pariser Musée d'Ethnographie schrieb, ist offengelegt, dass nicht nur Militärs, sondern auch EthnologInnen manchmal auf räuberische Art und Weise an die Objekte kamen. Leider erfährt man darüber in der Ausstellung selbst nicht mehr.
Dennoch: man kann diese äußerst anregende, auch aufregende und sinnlich sehr berührende Schau nur empfehlen. Interessant ist auch das Heft mit den Texten, da hier die Bildwelten auf drei Arten durchdekliniert werden: Kult und Kontext / Kunst / Kommentar sind die Überschriften, die mehrgleisige Einblicke gestatten. Der Kommentar legt die Gedanken des Kurators Wick offen und gibt auf diese Weise Einblick in die Ausstellungsidee.
Ob es ein ganz neuer Weg ist, den die Ausstellung damit einschlägt, wird sich noch zeigen. Der theatralisch anmutenden Präsentation im oben schon erwähnten Musée du quai Branly wird damit auf alle Fälle etwas angenehm Unaufgeregtes, sehr Sinnliches, Nachdenkenwertes entgegengesetzt. Zeit, sich die Ausstellung anzusehen hat man noch bis zum 28. Juni.
Sehr beeindruckt hat auch der Katalog: Er besteht aus einer Broschüre und aus einem Schuber mit 17 Bildtafeln. So kann man sich die Krokodile auch ins heimische Wohnzimmer holen.
FONDATION BEYELER
Beyeler Museum AG, Baselstrasse 101, CH-4125 Riehen / Basel
Täglich 10 - 18 Uhr, mittwochs 10 - 20 Uhr
Die Ausstellung in den Medien:
ein Bericht über die Ausstellung mit o-Ton von Museumsstifter Beyeler auf dradio;
die taz hält "Monet als überflüssige Dreingabe" und die NZZ titelt ihren Artikel mit "Staunen vor dem Nageltisch".
Labels: Ethnologie, Kunst, Schweiz
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